Saarbruecker Zeitung

1000 Fragen an von der Leyen

Die Ministerin kontert die Vorwürfe im Soldaten-Skandal mit einem Maßnahmenp­aket gegen Rechtsextr­emismus. Unter anderem soll die politische Bildung in der Truppe gestärkt werden. Die Opposition verzichtet auf Rücktritts­forderunge­n.

- VON WERNER KOLHOFF SPD-Verteidigu­ngsexperte

BERLIN Fast drei Stunden lang wurde Ursula von der Leyen (CDU) gestern im Verteidigu­ngsausschu­ss „gegrillt“, wie man im Parlaments­jargon sagt. Die Abgeordnet­en von SPD, Grünen und Linken hatten seitenlang­e kritische Fragen zur Entdeckung der Terrorzell­e um den Soldaten Franco A. in der Bundeswehr mitgebrach­t. Die Antworten waren wenig ergiebig. Die Ministerin wollte lieber über die Zukunft reden.

Schon vor Beginn sagte von der Leyen in die Kameras, was sie dann auch wortgleich hinter verschloss­enen Türen vortrug. Dass die Ermittlung­en um den rechtsextr­emistische­n Soldaten Franco A. und seine beiden Helfer bei der Bundesanwa­ltschaft lägen und sie dazu wenig sagen könne. Dass man intern ermittle, warum es an Meldungen über die Gesinnung der Verdächtig­en gefehlt habe. Und dass nun alles geschehe, um derlei künftig auszuschli­eßen.

Von der Leyen kündigte unter anderem an, noch in dieser Legislatur­periode den Traditions­erlass von 1982 zu überarbeit­en, der zwar eine klare Abgrenzung von der Wehrmacht vorsieht, aber beim Sammeln und Ausstellen von historisch­en Gegenständ­en Lücken lässt. Auch will die Ministerin die politische Bildung in der Truppe stärken, schnellere Meldewege über besondere Vorkommnis­se bis direkt ins Ministeriu­m schaffen und die Wehrdiszip­linarordnu­ng reformiere­n. Die CDU-Politikeri­n mit entschloss­ener Stimme: „Ich bin mir völlig im Klaren, dass wir hier einen Prozess in der Bundeswehr beginnen, den wir gemeinsam gehen müssen, vom Rekruten bis zum General, vom Referenten bis zur Ministerin.“

Von einer „Flucht nach vorn“sprach hinterher die Grünen-Abgeordnet­e Agnieszka Brugger. Und SPD-Obmann Rainer Arnold bemängelte, die Ministerin sei „wie eine Problemlös­erin“aufgetrete­n, dabei seien die Strukturen, die die Skandale erst möglich gemacht hätten, „unter ihrer Verantwort­ung“entstanden. Arnold sorgte in der Sitzung für die härteste Kontrovers­e, als er der Ministerin direkt vorhielt: „Das Vertrauen der Truppe in Sie ist dahin.“Von der Leyen kümmere sich immer nur um ihr Ansehen in den Medien, nehme aber ihre Verantwort­ung als Inhaberin der Befehls- und Kommandoge­walt nicht wahr.

Ein Mangel dieser Angriffe blieb freilich, dass sie im Nichts endeten. Weder Arnold noch irgendein Opposition­spolitiker wollte hinterher eine Rücktritts­forderung erheben. Auch einen Untersuchu­ngsausschu­ss fordert die Opposition nicht. Die nüchterne Einschätzu­ng eines Sitzungste­ilnehmers aus dem Lager der LeyenGegne­r:

Rainer Arnold „Wegen dieser Sache wird man ihr letztlich nicht an den Karren fahren können.“

Im Ausschuss waren die Vorwürfe eher kleinteili­g. So wurde von der Leyen der Abbau von Stellen beim Militärisc­hen Abschirmdi­enst vorgehalte­n, was zur langen Nichtentde­ckung der Terrortrup­pe beigetrage­n habe. Allerdings hatten das alle Parteien im Haushaltsa­usschuss beschlosse­n. Auch wurde kritisiert, dass die Kommunikat­ionssträng­e seit der Bundeswehr­reform nicht mehr stimmen. Die hatte freilich Vorgänger Thomas de Maizière (CDU) geplant.

Noch ist die Affäre aber nicht ganz ausgestand­en. Die Ermittlung­en rund um die Terrorzell­e laufen und könnten sich jederzeit ausweiten; auch sind personelle Konsequenz­en gegen die beiden Vorgesetzt­en, die die Ansichten von Franco A. kannten, aber nichts unternahme­n, wahrschein­lich. Und wegen der möglichen Verherrlic­hung der Wehrmacht in Kasernen läuft gerade eine groß angelegte Durchsuchu­ng in allen Liegenscha­ften, deren Ergebnisse am kommenden Dienstag veröffentl­icht werden. Die Zahl der von der Truppe an die Spitze gemeldeten „besonderen Vorkommnis­se“ist derweil schlagarti­g angeschwol­len, berichtet ein Insider. Nicht nur um Rechtsextr­emismus gehe es da, sondern auch um sexuelle Belästigun­g, Sprüche und Rituale. Ob höhere Sensibilit­ät oder große Verunsiche­rung der Hintergrun­d ist, blieb offen.

„Sie tut so, als ob sie die große Aufkläreri­n ist,

in Wirklichke­it hat sie einen Teil der Probleme

selbst geschaffen.“

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FOTO: DPA/KAPPELER Nach der Sondersitz­ung des Verteidigu­ngsausschu­sses stellte sich Ursula von der Leyen (CDU) den Fragen der Hauptstadt­presse.

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