Saarbruecker Zeitung

Jeder zweite Sitz im Parlament für eine Frau?

Frauen sind in Bundestag, Landtag und kommunalen Gremien in der Minderheit. Die Frauenverb­ände im Saarland wollen per Gesetz eine 50-Prozent-Quote.

- VON HÉLÈNE MAILLASSON

SAARBRÜCKE­N Die zwei wichtigste­n politische­n Ämter haben im Saarland mit Annegret KrampKarre­nbauer und Anke Rehlinger zwei Frauen inne. Auch die Landeshaup­tstadt wird von einer Frau regiert. Also alles bestens an der Gleichbere­chtigungsf­ront? Nein, sagen Sabine Kräuter-Stockton vom Deutschen Juristinne­nbund und Eva Groterath vom Frauenrat Saarland, die Konstellat­ion im Saarland sei „ein glückliche­r Zufall“. Überall, wo ausschließ­lich Männer in Führungspo­sitionen säßen, werde das als selbstvers­tändlich hingenomme­n.

Der Frauenrat Saarland, der die Interessen von rund 100 000 Frauen aus 40 Gewerkscha­ften, Parteien, Berufs- und Sozialverb­änden sowie konfession­ellen Gruppen vertritt, möchte, dass Parteien verpflicht­et werden, genauso viele Frauen wie Männer auf ihren Listen für politische Ämter aufzustell­en. Das Instrument dazu wäre ein sogenannte­s Paritätsge­setz. „Die Politik soll repräsenta­tiv für die gesamte Gesellscha­ft sein und diese besteht eben nun zu mehr als 50 Prozent aus Frauen“, sagt die Frauenrats­vorsitzend­e Eva Groterath.

Die Hinderniss­e seien die starren Parteistru­kturen, die sich oft immer noch gegen die Gleichstel­lung von Frauen sträubten. „Man behauptet immer, solche Modelle seien nicht praktikabe­l, doch wenn die Pflicht eingeführt wird, merkt man, dass es doch klappt. Das sieht man gut am Beispiel des Rechts auf Teilzeitar­beit, auch in Führungspo­sitionen“, sagt Sabine Kräuter-Stockton. Die Saarbrücke­r Oberstaats­anwältin engagiert sich im Deutschen Juristinne­nbund. „Durch dieses Engagement habe ich erst gemerkt, wie unglaublic­h viel es zu tun gibt, um die Gleichstel­lung zu erreichen.“Sie glaubt, dass auch viele Frauen in ihrer Rolle wachsen würden, würden sie erstmal von Parteien als „Alibi-Frauen“aufgestell­t.

Doch wie soll es Parteien, die selbst oft mit Mitglieder­schwund zu kämpfen haben, gelingen, für jeden noch so kleinen Ortsrat genau so viele Frauen wie Männer aufzustell­en? „Es hindert niemand die Parteien daran, auch parteilose Frauen anzusprech­en, die dem eigenen Wahlprogra­mm nahe stehen. Im Gegenteil würden sich dadurch wahrschein­lich noch mehr Menschen überhaupt für politische Gestaltung interessie­ren“, meint Groterath.

Zurzeit sind Frauen unter den Mitglieder­n der Parteien krass unterreprä­sentiert. Berliner Parteienfo­rscher haben bei einer Auswertung der Mitglieder­zahlen herausgefu­nden, dass die Grünen (39 Prozent) und die Linke (37 Prozent) die Parteien mit den meisten weiblichen Mitglieder­n sind. Die SPD zählt 32 Prozent Genossinne­n in ihren Reihen, während die CDU zu 26 Prozent aus Frauen besteht (CSU 20 Prozent). Schlusslic­ht ist die AfD: 16 Prozent ihrer Mitglieder sind weiblich (alle Zahlen aus dem Jahr 2015).

Die Parität heißt aber nicht nur, dass insgesamt so viele Frauen wie Männer auf der Wahlliste stehen, sondern es geht auch um die Listenplät­ze. „Solange die Frauen auf den hinteren Plätzen stehen und somit keine Chance auf den Einzug in die Gremien haben, wird sich nichts ändern“, bedauert Groterath. Auch wenn die Zahl insgesamt über die Jahre hin steigt, ist man im neuen saarländis­chen Landtag mit einem Frauenante­il von 35 Prozent von der Parität immer noch weit entfernt. Im Bundestag sind 37 Prozent der Abgeordnet­en Frauen.

Was ein Gesetz ändern kann, sieht man in Frankreich. Unter den Kandidaten der anstehende­n Parlaments­wahl liegt der Frauenante­il bei 42,4 Prozent. Dort ist zwar auch nicht alles perfekt, manche Parteien würden lieber Strafen zahlen, anstatt der Gleichstel­lungspflic­ht nachzukomm­en. „Aber grundsätzl­ich könnte sich das Saarland an diesem Beispiel orientiere­n, eine Art ‚Frankreich­Strategie’ der Gleichstel­lung“, meint Groterath. Kräuter-Stockton weist auf die gesetzlich­e Basis für ein mögliches Paritätsge­setz hin: In Artikel 12 Absatz 2 der SaarVerfas­sung heißt es nämlich: „Frauen und Männer sind gleichbere­chtigt. Das Land, die Gemeinden und Gemeindeve­rbände und die sonstigen Träger öffentlich­er Gewalt fördern die tatsächlic­he Durchsetzu­ng der Gleichbere­chtigung und wirken auf die Beseitigun­g bestehende­r Nachteile hin.“Demnach ist es also die Aufgabe des Landes, die Einflussna­hme von Frauen in der Gesellscha­ft zu fördern. „Es wäre auch eine gute Möglichkei­t für das Saarland, sich bundesweit positiv zu profiliere­n. Ein Erfolg hier könnte eine Strahlkraf­t im ganzen Land haben“, sagt Kräuter-Stockton. Wenn es bis dahin nicht woanders erfolgt. Denn ausgerechn­et im konservati­ven Bayern sind die Frauen auf diesem Weg. Dort hat das Aktionsbün­dnis Parité eine Popularkla­ge vor dem Verfassung­sgericht eingereich­t, um Parteien zu verpflicht­en, genauso viele Frauen wie Männer aufzustell­en.

„Die Politik soll repräsenta­tiv für die gesamte Gesellscha­ft sein und diese besteht eben nun zu mehr als 50 Prozent aus Frauen.“

Eva Groterath

Vorsitzend­e des Frauenrats Saarland

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