Saarbruecker Zeitung

Ein Waffelfest mit der Lieblingst­ante

GESCHICHTE Sobald es draußen endlich warm ist, wird wieder im Garten gefeiert.

- VON ELKE BRÄUNLING

„Man soll die Feste feiern, wie sie fallen“, pflegte Tante Annagreta zu sagen. „Wer feiern möchte, findet immer einen Grund, es auch wirklich zu tun.“Das klang vielverspr­echend. „Wann feiern wir? Gleich?“, fragte ich, und meine Schwester Lena wollte unbedingt wissen, wie es sich anfühlt, wenn Feste fallen. „Dass du aber auch immer alles wörtlich nehmen musst.“Die Tante lachte. „Jeder Tag kann ein Festtag sein.“

Na ja, das sagten die Erwachsene­n immer, wenn ihnen nichts Besseres als Antwort einfiel. Wir kannten das schon. „Welches Fest würdest du zum Beispiel heute feiern?“, fragte Lena. „Heute? Den Frühling könnten wir feiern.“

Dann blickte sie aus dem Fenster. „Der Himmel hellt auf“, sagte sie. „Ich wette, heute Nachmittag wird die Sonne scheinen. Warm genug ist es auch. Perfekt für ein Waffelfest.“Ein Waffelfest? Was war das denn? Lena grinste. „Hast du einen an der Waffel?“, fragte sie und kicherte.

Da musste ich auch lachen, denn jeder in der Familie wusste, dass Tante Annagreta anders tickte und sich wenig aus Regeln und Gesetzen und all dem Zeugs, was „man so tut“, machte. Das war toll und deshalb war sie auch unsere Lieblingst­ante, die wir immer besuchten, wenn wir Zeit hatten. Sie wohnte am Dorfrand bei den Weinbergen in einem kleinen Haus, das einmal ein Bauernhaus gewesen war und das wir heimlich ‚Annagretas Bullerbü‘ nannten. So war es nämlich dort. Wie in Bullerbü. Also fast wie dort. Und wir fanden das toll. Und Waffelfest klang auch toll.

„Auf dem Dachboden habe ich neulich beim Ausmisten drei alte Waffeleise­n gefunden“, sagte Tante Annagreta da. „Ich glaube, die Leute, die hier einmal gelebt haben, waren große Waffelfreu­nde.“

„Und damit backen wir nun Waffeln?“Ich wollte gleich auf den Dachboden sausen und die Waffeleise­n suchen. Ich liebte nämlich alles, was alt und von früher war, sehr. „Au ja“, rief Lena. „Und ich gehe zu Oma Wagner und ihren Hühnern und hole alle Eier, die sie übrig hat. Vielleicht hat sie Lust, mit uns zu feiern?“„Prima.“Tante Annagreta lächelte. „Ich sehe schon, ihr versteht, was mit Festen aus heiterem Himmel gemeint ist.“„Das sind die schönsten Feste“, stimmte ich ihr zu und überlegte gleich, wen wir noch alles aus heiterem Himmel einladen könnten.

Am Abend saßen viele Leute aus dem Dorf, aber auch Spaziergän­ger, die zufällig vorbeigeko­mmen waren, im Vorgarten und futterten Waffeln mit Frühlingsk­räutern. Dazu gab es Beerenkuch­en von Nachbarin Schulte, Kaiserschm­arrn von Oma Ute und eine große Schüssel Apfelmus von Frau Wagner, die auch die Eier spendiert hatte. Auch Mama war gekommen. Mit einem Berg an Kräuterqua­rkbrötchen und Käse. Hmm. Wie das schmeckte!

An diesem Tag fiel das Abendessen aus und als wir später im Bett lagen, überlegten wir gleich, welches Fest wir als nächstes feiern würden. Feste zu feiern, wie sie fallen, ja, das fanden wir nämlich richtig toll.

Newspapers in German

Newspapers from Germany