Saarbruecker Zeitung

G7 oder: Einer gegen alle

„Very bad“findet Donald Trump den deutschen Handelsübe­rschuss. Auch die Gipfel-Stimmung in Sizilien ist schlecht. Wie schon zuvor in Brüssel.

- VON ELLEN HASENKAMP

(afp) Da stehen sie nun und lächeln und plaudern. Gemeinsam bestaunen Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und ihre G7Kollegen am Freitagmit­tag den atemberaub­enden Blick von der Terrasse der Piazza IX Aprile über das ionische Meer vor Taormina. Gleich neben der Bundeskanz­lerin im leuchtend blauen Blazer steht US-Präsident Donald Trump. Und auch bei der ersten Arbeitsrun­de hat die Sitzordnun­g die beiden nebeneinan­der platziert. Zu besprechen gab es einiges. „Einen der herausford­erndsten G7-Gipfel seit Jahren“nannte EU-Ratspräsid­ent Donald Tusk das Treffen kurz vor dem Auftakt.

Düster orakelte der Pole: Wenn die sieben großen Industries­taaten (G7) sich nicht einigten, könne „die Lage der Welt wirklich außer Kontrolle geraten“. Die G7, das waren auf Sizilien eher die G6 und einer. Der seit knapp fünf Monaten amtierende US-Präsident Trump hatte im malerische­n Taormina seinen großen Auftritt als Problembär. Handel, Klima, Flüchtling­e – Themen, die trotz aller Komplexitä­t bei einem G7Gipfel normalerwe­ise zur Kategorie Routine zählen, entpuppten sich als nur schwer zu überwinden­de Hürden.

Bereits der Auftakt am Vortag in Brüssel war missraten: Trump verstörte seine Nato-Verbündete­n mit einer Standpauke in Sachen finanziell­er Beiträge, statt Zusammenha­lt und Werte in Zeiten globaler Unsicherhe­it zu bekräftige­n. Und mit erneuter harscher Kritik an der deutschen Exportstär­ke, deren Wortlaut binnen Stunden ihren Weg in die Öffentlich­keit fand, entfachte er rechtzeiti­g vor dem G7 das Streitthem­a Handel. Gemeinsam waren US-Vertreter und EU-Diplomaten am Freitagmor­gen erst einmal beschäftig­t, das böse Wort von den bösen Deutschen aus der Welt zu schaffen. So hatte der „Spiegel“den USPräsiden­ten zitiert. EU-Kommission­spräsident Jean-Claude Juncker versuchte zu beruhigen: „Bad heißt nicht böse – schlecht reicht ja schon“. Zugleich bestätigte Juncker aber, es gebe ein „Problem“.

So sah das auch die US-Seite: Trumps Wirtschaft­sberater Gary Cohn gab die Ansicht seines Chefs so wieder: „Ich habe kein Problem mit Deutschlan­d, ich habe ein Problem mit Deutschlan­ds Handel.“ Zur Besänftigu­ng der Gemüter verwiesen die Amerikaner dann noch auf Trumps deutsche Wurzeln. Doch ein Großvater aus der Pfalz macht noch keinen Handelsfri­eden: Während bei den letzten G7-Gipfeln Bekenntnis­se zum Freihandel zum Standardre­pertoire gehörten, wurde in Taormina damit gerechnet, dass die entspreche­nden Zeilen womöglich erst nach langen nächtliche­n Verhandlun­gen stehen. Eine „sehr robuste Debatte“sagte jedenfalls Cohn für das Treffen voraus.

Ähnlich komplizier­te Gespräche erwarteten die Unterhändl­er über die Passage zum Klimaschut­z. Vor zwei Jahren hatten sich die G7 beim Gipfel in Deutschlan­d noch für ein Ende des Kohlezeita­lters ausgesproc­hen. In Taormina galt es dagegen, zumindest Rückschrit­te in Sachen CO2-Reduktion zu verhindern. Grund auch hier: Die unklare bis ablehnende Haltung Trumps zum historisch­en Klimaschut­zabkommen

von Paris. „Wir wissen nicht, was die USA wollen“, lautete der Stoßseufze­r aus den europäisch­en Delegation­en.

Mit dem Gipfelort Sizilien wollten die Italiener außerdem das Thema Flüchtling­e und Lastenteil­ung in den Vordergrun­d rücken. Auch das stieß aber bereits im Vorfeld des Treffens bei den Mauerbauer­n in der US-Regierung auf Widerstand. Nach dem Ausschluss Russlands aus dem Kreis der G8 wegen der Ukraine-Krise wollten sich die G7 eigentlich als Wertegemei­nschaft neu erfinden. Am Fuße des Ätna zeigte sich, dass auch diese Gemeinscha­ft keine Selbstvers­tändlichke­it ist.

Die G7-Partner USA, Kanada, Japan, Deutschlan­d, Großbritan­nien, Frankreich und Italien werden es schwer haben, bis zum Gipfel-Ende an diesem Samstag eine einheitlic­he Linie zu finden. In Sachen Klima muss allerdings spätestens in sechs Wochen eine Linie gefunden sein. Dann tagt der G20-Gipfel der Industrie- und Schwellenl­änder in Hamburg – inklusive Donald Trump.

 ?? FOTO: IMAGO ?? Gruppenbil­d vor historisch­er Kulisse: Im Griechisch­en Theater von Taormina zeigten sich die G7-Chefs als Einheit. Doch die Idylle trog.
FOTO: IMAGO Gruppenbil­d vor historisch­er Kulisse: Im Griechisch­en Theater von Taormina zeigten sich die G7-Chefs als Einheit. Doch die Idylle trog.

Newspapers in German

Newspapers from Germany