Stahl-Beschäftigte setzen auf Merkel
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SAARBRÜCKEN (SZ) Mit einem Autokorso sind gestern 350 Stahlarbeiter aus Völklingen und Dillingen zum Landtag gefahren. Gemeinsam mit Betriebsräten und der IG Metall forderten sie insbesondere von der Bundesregierung und Kanzlerin Angela Merkel (CDU), sich in Brüssel stärker für den Erhalt der Arbeitsplätze in der Stahlindustrie einzusetzen. Heute stehen dort entscheidende Verhandlungen an.
SAARBRÜCKEN. Maximilian Kreis (22), Jugendvertreter in der Dillinger Hütte, steht vor dem saarländischen Landtag und hält ein Transparent hoch: „Stahl ist Zukunft“steht drauf. Kreis betreut 250 Auszubildende auf der Hütte. Er sagt: ,,Viele junge Leute sind bereit, für den Erhalt der Arbeitsplätze in der Stahlindustrie zu kämpfen. Sie erhoffen sich Perspektiven für ihr Leben, wollen in einer modernen Branche arbeiten, so wie viele Familien seit Jahrzehnten. Diese Kultur darf nicht kaputtgehen.“Mit Kreis sind rund 350 Stahlarbeiter aus Völklingen und Dillingen in einem Autokorso zum Landtag gefahren, um Landesund Bundespolitiker wachzurütteln. Sie haben „Brandbriefe“an Politiker mitgebracht. Der Kampf um die Zukunft der europäischen, - deutschen und saarländischen Stahlindustrie geht in die entscheidende Phase. So finden am heutigen Dienstag in Brüssel trilaterale Verhandlungen zwischen EU-Parlament, Europäischem Rat und EU-Kommission statt. Es geht im Kern darum, wie von 2021 bis 2030 der Handel mit Vers ch mut zungs zertifikaten gestaltet wird, de reinen Anreiz in Unternehmen schaffen soll, klimaschädliche Gase so weit wie möglich zu reduzieren.
Vorstand, Beschäftigte, Betriebsräte und Gewerkschaften aus Dillingen und Völklingen sehen in den geplanten Regeln zum Emissionshandel gerade die Arbeitsplätze in den Saar-Hütten gefährdet, da diese bereits Milliardeninvestitionen für umweltverträgliche Anlagen und einen aktiven Klimaschutz in die Hand genommen haben. Die deutschen Hütten zählten zu den umweltverträglichsten überhaupt.
Im Namen der Beschäftigten der Saar-Hütten verteilen vor dem Landtag die Konzernbetriebsräte aus Völklingen und Dillingen sowie die IG Metall Völklingen Briefe an die Landes- und Bundesregierung mit dem Ziel, in Brüssel eine gerechte Entscheidung herbeizuführen. Die Alternative sei, dass die Stahlindustrie ab 2021 in Raten stirbt. Stephan Ahr, Konzernbetriebsratsvorsitzender der Saarstahl AG, warnt deshalb die Politik: „Legt Euch nicht mit Stahlarbeitern an.“Kanzleramtsminister Peter Altmaier (CDU) und Justizminister Heiko Maas (SPD), beide Saarländer und ebenfalls Adressaten des Briefes, forderte Ahr auf, nicht nur auf politischen Aschermittwoch-Veranstaltungen, sondern auch am Kabinettstisch ihren Einfluss auf Kanzlerin Angela Merkel zu Gunsten der Stahlarbeiter geltend zu machen, damit diese sich in Brüssel stark macht. Sie dürfe sich nicht aus der Debatte raushalten.
Am Beispiel der Stahlarbeiter und ihrer berechtigten Interessen zeige sich, „ob sich in Europa die Demokratie durchsetzt, oder radikale Kräfte die Oberhand gewinnen“, warnt Michael Fischer, Konzernbetriebsratsvorsitzender der AG der Dillinger Hüttenwerke. Die Kanzlerin sei gefordert, den Stahlarbeitern Schützenhilfe zu geben, fordert auch Robert Hiry, erster Bevollmächtigter der IG-MetallGeschäftsstelle Völklingen. Auch an die Kanzlerin richtet sich der Brief. Man werde bis zur Bundestagswahl sehr genau beobachten, wer sich für die Stahlarbeiter einsetzt, so Hiry.
Wirtschaftsministerin Anke Rehlinger (SPD) betont, die Landesregierung stehe geschlossen zu den Stahlarbeitern. Brüssel gefährde ohne Not alleine 22 000 Arbeitsplätze an der Saar und bereits getätigte Investitionen in Milliardenhöhe. Der jetzt von einigen nationalen Regierungen vorgelegte Vorschlag zum Emissionshandel sie schlechter als der zuvor vom EU-Parlament vorgelegte Plan. Stephan Toscani, FinanzEuropa- und Justizminister, nahm den Brief stellvertretend für Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) entgegen, die gestern in Berlin mit der Kanzlerin redete, auch über die Stahlpolitik. Ob all das Wirkung zeigt? Isolde Ries, Vizepräsidentin des Landtages und Berichterstatterin für Stahl auf EUEbene im Ausschuss der Regionen meint dazu nur: „Der Protest ist nötiger denn je.“