Saarbruecker Zeitung

SPD rügt Merkels Kritik an Trump

Es ist keine Abkehr der Kanzlerin von den USA. Aber ein historisch­er Schritt, den sie gehen will – weg von Trump, hin zu einem stärkeren Europa.

- VON KRISTINA DUNZ und ihr inzwischen schon berühmtes Zitat

BERLIN (afp) Mit ihren Zweifeln an der Verlässlic­hkeit der USA hat Kanzlerin Angela Merkel (CDU) weltweit Aufsehen erregt. Die SPD warf ihr eine „Inszenieru­ng“vor. Merkel hätte US-Präsident Donald Trump bei ihren Treffen kritisiere­n sollen, nicht erst danach, sagte SPD-Chef Martin Schulz.

BERLIN (dpa) Von diesem Traum erzählt Angela Merkel immer wieder: Im Rentneralt­er wollte sie unbedingt zu allererst nach Amerika. Da war die Physikerin noch jung, eine recht brave DDR-Bürgerin und hinter einer Mauer eingesperr­t. Die Vereinigte­n Staaten waren für sie der Inbegriff von Freiheit. Für Meinung, Religion, Presse, Reisen, einfach alles. Ihr Traum wurde viel früher wahr. Die Mauer fiel, die Naturwisse­nschaftler­in kämpfte sich in der Politik nach ganz oben. In Deutschlan­d, Europa, in der Welt. Washington als wichtigste­r Partner an der Seite. Doch jetzt geht Merkel einen neuen Weg.

„Die Zeiten, in denen wir uns auf andere völlig verlassen konnten, die sind ein Stück vorbei, das habe ich in den letzten Tagen erlebt.“Merkel hat das am Sonntag in einem Bierzelt in München gesagt, wenige Stunden nach Ende des für den Zusammenha­lt der westlichen Industrien­ationen desaströse­n G7-Gipfels auf Sizilien. Ernüchtert, desillusio­niert, verstimmt. Nicht über den großen Freund und Partner USA im Ganzen, sondern über seinen neuen Präsidente­n Donald Trump.

Merkel weiß um die vielen Stimmen in den USA, die sie nach der Wahl von Trump im vorigen Herbst als letzte Retterin der liberalen westlichen Werte auserkoren hatten. Inzwischen arbeitet sie an diesem Ruf – ob gezielt oder automatisc­h. Und wenn für Merkel auch nur „ein Stück vorbei“ist, wird es ernst. Sie hat die USA trotz mancher Hinderniss­e wie in der Finanzkris­e mit US-Präsident George W. Bush oder mit der Abhöraffär­e zu Zeiten Barack Obamas immer unbeirrt als wichtigste­n Partner bezeichnet. Weil die Bundesrepu­blik nach denselben Werten strebt. Aber auch, weil Deutschlan­d auf die Hilfe der USA bei Sicherheit, Verteidigu­ng und Geheimdien­sten angewiesen ist. Daran will Merkel sicher nichts ändern. Regierungs­sprecher Steffen Seibert betont gestern: „Da hat eine zutiefst überzeugte Transatlan­tikerin gesprochen.“Gerade weil die transatlan­tischen Beziehunge­n so wichtig seien, sei es auch richtig, Differenze­n ehrlich zu benennen.

SPD-Generalsek­retärin Katarina Barley wirft Merkel vor, ihre Kritik an den USA inszeniert zu haben. „Es ist keine Kunst, im Bierzelt über Donald Trump zu schimpfen“, sagt sie. Das hätte Merkel beim G7-Gipfel tun sollen. Aber die kurze Passage in Merkels Wahlkampfr­ede bei der CSU von Horst Seehofer in München wird

Angela Merkel (CDU) schnell von Medien in den USA und auch in Großbritan­nien verbreitet. Als hätte Merkel eine Brandrede gehalten. Es gibt lange Berichte, Analysen, Fragezeich­en, was Merkel, die wohl mächtigste Frau der Welt, damit nun bewegen wird. Wird Europa Amerikas Platz als wichtigste­r Partner einnehmen? Wird Frankreich­s neuer Präsident Emmanuel Macron nun der internatio­nal engste Verbündete Merkels. Wo sind die neuen großen Linien – mit China für den Klimaschut­z?

Merkel dürfte sich der Brisanz ihrer Worte im Münchener Stadtteil Trudering bewusst gewesen sein. Zwar ist sie natürlich längst im Wahlkampf für die Bundestags­wahl am 24. September. Aber sie gilt nicht als Zockerin. Sie würde das deutsch-amerikanis­che Verhältnis kaum derart auf die Probe stellen, sähe sie nicht eine Gefahr in Trumps Verhalten, an internatio­nale Errungensc­haften zu rütteln, gegen Verbündete zu poltern und zugleich Deals mit Autokraten wie in Saudi-Arabien zu machen. Außenminis­ter Sigmar Gabriel (SPD) spricht gar von einem „Ausfall der Vereinigte­n Staaten als wichtige Nation“.

Also Europa. Merkels gar nicht neue, jetzt aber um so drängender­e Botschaft ist eben: Europa muss sein Schicksal selbst in die Hand nehmen. Das wird aber eine riesige Herausford­erung: Vor allem für die Sicherheit, die Verteidigu­ng und die Nachrichte­ndienste. Ohne die USA läuft da wenig. Die Deutschen müssen sich dann wohl darauf einstellen, dass die Bundeswehr aufgerüste­t werden und ihre Soldaten häufiger in einen Krieg ziehen müssen. Etwas, was die Bürger gar nicht schätzen und etwas, was die SPD gegen Merkel im Bundestags­wahlkampf aufbringen wird.

„Die Zeiten, in denen wir uns auf andere völlig verlassen konnten, die sind ein Stück vorbei.“

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FOTO: DPA Nicht dieselbe Richtung: Kanzlerin Merkel rückt ein Stück ab von US-Präsident Trump. Sie will Europa stärken – aber eine Freundin der USA bleiben.

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