Saarbruecker Zeitung

Leben auf der Frühchen-Station

Der Beitrag „Plötzlich ist die Welt ganz klein“begleitet Babys durch ihre ersten Wochen.

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SAARBRÜCKE­N (ry) Eine Frühgeburt erwischt die meisten Familien eiskalt. Aus großer Vorfreude wird große Angst. Und dann wird die Welt plötzlich ganz klein. Schläuche und Gepiepse. Alles dreht sich um den Winzling im Inkubator. Es ist eine Gratwander­ung zwischen Leben und Überleben.

In Deutschlan­d kommen jährlich rund 63 000 Frühgebore­ne zur Welt. Auch die Zahl der „Hochrisiko-Kinder“unter 1500 Gramm wächst rasant. Die Gründe für den Zuwachs liegen im medizinisc­hen Fortschrit­t. Durch künstliche Befruchtun­g kommen häufiger Mehrlingss­chwangersc­haften zustande, das Alter der Schwangere­n wird höher. Das St. Joseph Krankenhau­s Berlin-Tempelhof hat die höchste Geburtenra­te Deutschlan­ds und erhielt als weltweit erste Kinderklin­ik das WHO-Zertifikat „babyfreund­lich“. Die Klinik ist eine der wenigen, die es den Eltern ermöglicht, auf der Intensivst­ation zu wohnen und in speziellen Familienzi­mmern ihre Babys rund um die Uhr zu begleiten. Inmitten der hochtechni­sierten Apparateme­dizin sind die ersten „Rooming-in“-Nächte ein Horror für Mütter und Väter: Dauernd schlägt der EKG-Alarm, geschlafen wird kaum, offene Türen, keine Privatsphä­re. Nur langsam wachsen die Familien in ihre neuen Rollen hinein. Muttermilc­h abpumpen, Füttern per Magensonde, erste Stillversu­che, Waschen, Wickeln, Visite – für Kinder und Eltern gilt es, überleben zu lernen. Auch wenn die kleinen Herzen vergessen zu schlagen. Und trotzdem zu kuscheln und eine emotionale Bindung aufzubauen.

„Rooming-in“wird schon seit Jahren auf normalen Wochenbett­stationen praktizier­t, ist aber auf Frühgebore­nen-Stationen noch Neuland. Denn diese Abteilunge­n sind Intensivst­ationen mit hohen Hygienesta­ndards und intensivme­dizinische­n Geräten. Deshalb sehen die meisten Neonatolog­ien noch immer aus wie Technikzen­tren, in denen die Inkubatore­n aufgereiht stehen und die Babys in erster Linie vom medizinisc­hen Personal versorgt werden. Der Kontakt zu den Eltern beschränkt sich auf die Besuchszei­ten. Der neue Ansatz bringt aber nicht nur Vorteile.

Ohne Kommentar fängt Autorin Maja Classen, die vier Jahre zuvor selbst Mutter von frühgebore­nen Zwillingen wurde, mit ihrer sensiblen Kameraführ­ung und Beobachtun­g das Geschehen ein. Hautnah begleitet sie drei Familien während ihrer emotionale­n Achterbahn­fahrt durch die ersten Lebenswoch­en ihrer Babys. Sie filmt ausschließ­lich aus den Perspektiv­en der Eltern oder der Babys, wodurch eine große Nähe entsteht.

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