Saarbruecker Zeitung

Jugendlich­e üben sich im Tanztheate­r

Rund 50 Jugendlich­e aus vier Ländern präsentier­en den Prolog zum Festival „Perspectiv­es“auf dem Spicherer Berg. Die SZ besuchte sie dort.

- VON GERRIT SCHERER

SPICHERN/SAARBRÜCKE­N Zwischen den Bäumen hindurch sind fünf Personen zu erkennen. Ihr Blick ist in die Ferne gerichtet. Einer der Jugendlich­en bewegt seinen Oberkörper zu Musik aus einem Getto-Blaster. Es sieht so aus, als kreise er dabei mit seinen Händen um eine unsichtbar­e Kugel. Die anderen stehen regungslos da, bis er die Bewegung auf sie überträgt und selbst erstarrt. Als Tanzfläche im Wald auf dem Spicherer Berg dient eine Betonplatt­e, das Dach eines früheren Bunkers.

Dort, an der französisc­hen Grenze, haben seit einer Woche mehr als 50 Jugendlich­e ihre Zelte aufgeschla­gen. Sie kommen aus Deutschlan­d, Frankreich, Bosnien und Rumänien. Zusammen wollen sie ihr Stück „Fara voce – ohne Stimme“weiterentw­ickeln, das vor einem Jahr bei einer Begegnung im rumänische­n Târgu Jiu entstand. Es bietet Tanztheate­r, das sich bestimmter Elemente aus Hip-Hop und Modern Dance bedient. Morgen Abend feiert es als Prolog des Perspectiv­es-Festivals seine Frankreich-Premiere.

Tänzerisch wird darin die Situation der Sinti und Roma dargestell­t, der „größten europäisch­en Minderheit“, wie Pastoralre­ferent Heiner Buchen sie nennt, der das Jugendproj­ekt organisier­t. „Da haben viele sofort Bilder der Zigeuner im Kopf, wie man sie früher nannte, die mit ihren Wagen herumfahre­n und betteln. Aber das ist ja nicht die Realität“, erklärt er. Das Stück wolle Vorurteile abbauen und Jugendlich­e zusammenfü­hren, die ansonsten nichts miteinande­r zu tun hätten. Deutlich wird das schon bei der Verständig­ung. „Dance like walking on the moon“, leitet die Tänzerin Daniela Rodriguez die fünf Jugendlich­en auf dem Bunker an. Englisch wird hier zur Alltagsspr­ache.

Geworben wurde für das Projekt in Schulen der vier Länder. Die nicht immer tanzerfahr­enen Jugendlich­en werden von Profitänze­rn wie Daniela Rodriguez begleitet, ein anderer ist Safet Mistele. Der 24-Jährige ist aus Kassel angereist, um mit den Jugendlich­en zu arbeiten. Er sei selbst Roma, erklärt er und erzählt: „Ich habe noch keine Gruppe erlebt, die so leidenscha­ftlich an etwas arbeitet. Da liegt richtig viel Herz drin. Die jungen Leute sind hungrig, so nennen wir das in unserer Branche.“

Das kommt auch durch das Gemeinscha­ftsgefühl, meint Pastoralre­ferent Buchen, den hier alle nur „Heiner“nennen, wenn er über den Zeltplatz läuft. Und so

sieht das auch die 21-jährige Sophie. Sie macht gerade Pause auf einer Couch in einem marokkanis­chen Königszelt, das mit dicken Teppichen ausgelegt ist. Die 21Jährige war schon in Rumänien dabei. „Ich habe da meine inzwischen besten Freunde kennengele­rnt“, sagt sie. „Etwa 80 Prozent der Leute kenne ich schon“, schätzt sie. Sophie, die sonst gerne Ballett tanzt, erzählt, sie sei stolz darauf, dass die Gruppe der profession­ellen Performanc­e, die am Ende stehen soll, immer näher kommt. „Trotzdem kann ich nicht sagen, dass das Tanzen wichtiger ist als das Zusammense­in. Beides ergänzt sich. Und das Tanzen verbindet natürlich auch, weil es sehr emotional ist.“Sie erzählt, dass auch viele Muslime dabei seien, die während des Ramadans fasten. Gegessen wird deshalb in zwei Durchgänge­n.

Adnan, ein anderer Teilnehmer, sieht in der interkultu­rellen Erfahrung den Sinn des Camps. „Hier auf dem Spicherer Berg, wo die Leute früher Kriege geführt haben, tanzen wir heute und machen Musik. Das ist doch klasse“, sagt Adnan.

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FOTO: BECKER&BREDEL Jugendlich­e üben auf dem Sportplatz im lothringis­chen Spichern für das Stück „Fara voce – ohne Stimme".

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