Saarbruecker Zeitung

Der Weltklasse-Macher im Hintergrun­d

Ulrich Knapp aus Kirkel macht seit Jahrzehnte­n aus Talenten Top-Athleten. Jetzt fiebert der 57-Jährige dem Pfingstspo­rtfest entgegen.

- VON KAI KLANKERT

SAARBRÜCKE­N Wenn am Montag im Rehlinger Bungertsta­dion gegen 16.30 Uhr der Startschus­s für das 400-Meter-Rennen der Frauen ertönt, wird Ulrich Knapp das tun, was seiner Ansicht nach einen guten Leichtathl­etik-Trainer ausmacht: Er hält sich im Hintergrun­d auf. Kaum zu unterschei­den von einem gewöhnlich­en Zuschauer. „Die Athleten sollen im Fokus stehen. Es geht um sie – und dass sie sich zu 100 Prozent auf ihren Sport konzentrie­ren können“, sagt Knapp. Am Montag ist es Laura Müller, die Olympia-Teilnehmer­in, die Lokalmatad­orin vom LC Rehlingen, die die Blicke auf sich ziehen wird – auf der Jagd

Ulrich Knapp erstmals eine Gruppe, mit 16 Jahren dann in der Leichtathl­etik. Auch während des Sport-Studiums an der Universitä­t des Saarlandes war er Trainer. „Es hat mir schon immer unheimlich viel Spaß gemacht“, sagt Knapp. Und die Faszinatio­n ist seither immer die gleiche: Er sieht ein Talent, ungeschlif­fen, und im Kopf entsteht sofort ein Plan, eine Idee, wie die Entwicklun­g aussehen könnte. „Das war bei Boris so, das war bei Shanta so, das war auch jetzt bei Laura so“, sagt Knapp.

1987 beginnt seine Beziehung zur Hermann-Neuberger-Sportschul­e. Knapp, der einen guten Draht zum damaligen Gründer des Olympiastü­tzpunktes, Eike Emrich, hatte, bezeichnet sich selbst als „einen Mann der ersten Stunde“. Gemeinsam mit Emrich und weiteren Mitstreite­rn baut er den OSP auf – zunächst ausgestatt­et mit einem Werksvertr­ag als EDV-Mitarbeite­r. 1989 wird er dank einer Arbeitsbes­chaffungsM­aßnahme Landestrai­ner des SLB, mitfinanzi­ert vom Deutschen Leichtathl­etik-Verband.

Erste Erfolge stellen sich schnell ein. Knapp macht aus Henry, heute Obergföll, den „Bär aus dem Warndt“. 1991 wird der Speerwerfe­r Vierter bei der Junioren-EM, im Jahr darauf Zweiter bei der Junioren-WM. Henrys Aufstieg in die Weltspitze beginnt, und Knapp fördert im Land, was er fördern kann: „In Hoch-Zeiten hatte ich bis zu elf DLV-Kaderathle­ten in meiner Trainingsg­ruppe.“

Sein Talent als Trainer bleibt nicht unerkannt, natürlich nicht. Seit 2001 ist Knapp nur noch für den DLV tätig, als Disziplin-Bundestrai­ner (Weitsprung Frauen). „Es gab in all der Zeit noch keinen Tag, an dem ich keine Lust auf das Training hatte“, sagt Knapp: „Wenn man dafür ein Faible hat, ist es ein Traumjob.“

Ein Traumjob, der ihm alles abverlangt. An 40 Wochenende­n im Jahr ist er unterwegs, auf Wettkämpfe­n,

„Es gab in all der Zeit noch keinen Tag, an dem ich keine Lust auf

das Training hatte.“

in Trainingsl­agern, bei Verbandste­rminen. Die Organisati­on, vor allem die Kommunikat­ion mit Athleten und Heimtraine­rn, kostet ihn jeden Tag ein paar Stunden. Telefonier­en, Mails schreiben, Trainingsp­läne begutachte­n. Dazu die Einheiten an der Sportschul­e oder in Zweibrücke­n, wo Weitspring­erin Moguenara gemeinsam mit ihrem Lebensgefä­hrten, dem Stabhochsp­ringer Raphael Holzdeppe, trainiert. „Ich mag meine Arbeit, aber für die Familie ist es manchmal schwer, dass ich so oft weg bin“, sagt Knapp (verheirate­t, zwei Kinder).

Er selbst liebt die besonderen Momente seines Jobs, sie treiben ihn an. Die ersten Medaillen von Henry, Ghosh, Kappler oder Reif. Momente wie Moguenaras Rekordspru­ng 2016 in Weinheim auf 7,16 Meter (Platz drei der ewigen deutschen Bestenlist­e). „Oder als Laura im Trainingsl­ager ein ganz schweres Programm zu absolviere­n hatte, und die Zeiten, die sie auf die Bahn gebracht hat, unsere kühnsten Träume übertroffe­n hatten. Das verursacht einfach Gänsehaut“, sagt Knapp. Er geht auf in der Leidenscha­ft, einem Sportler zu helfen, sein Potenzial auszuschöp­fen, zu entfalten, was in ihm steckt. Früher, bei seinen Anfängen, war das eine SportlerTr­ainer-Beziehung auf Augenhöhe. Heute ist er väterliche­r Freund und Trainer mit jahrzehnte­langer Erfahrung, offen und ehrlich im Umgang und mit einem ausgeklüge­lten Plan, wann Zuckerbrot nötig ist und wann die Peitsche.

Entscheide­nd aber ist seine Fähigkeit,

Ruhe auszustrah­len, zu motivieren und den Sportlern das Gefühl zu geben, das erreichen zu können, was sie sich ausmalen. Bei Laura Müller ist es in diesem Jahr die Einzel-Norm für die WM in London (51,70 Sekunden) – und für die Zukunft, ein Star von internatio­nalem Format zu werden. „Sie hat die Möglichkei­ten, in den nächsten zwei Olympia-Zyklen in einem ganz großen Finale zu stehen“, sagt Knapp, der auch dann das tun würde, was er am liebsten tut: im Hintergrun­d bleiben.

 ?? FOTO: IMAGO ?? Weitspring­erin Sosthene Moguenara drückt ihren Trainer, den Kirkeler Uli Knapp, ganz fest an sich. Es war ihre erste Reaktion direkt nach ihrem Rekordspru­ng 2016 in Weinheim auf 7,16 Meter.
FOTO: IMAGO Weitspring­erin Sosthene Moguenara drückt ihren Trainer, den Kirkeler Uli Knapp, ganz fest an sich. Es war ihre erste Reaktion direkt nach ihrem Rekordspru­ng 2016 in Weinheim auf 7,16 Meter.

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