Saarbruecker Zeitung

Zwischen Speckröllc­hen und Playboy

Die Ex-Fraulauter­nerin Petrissa Solja greift bei der Heim-WM in Düsseldorf ins Geschehen ein. Die 23-Jährige gilt als Medaillenh­offnung.

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DÜSSELDORF Beim TTSV Fraulauter­n ist Petrissa Solja groß geworden. Von 2007 bis 2012 spielte sie im Saarland, mit dem TTSV in der Bundesliga. Nach dem Rückzug des TTSV ging Soljas Aufstieg ungebremst weiter. Bei der WM in Düsseldorf gehört die 23-Jährige aus Kandel, die inzwischen für den TTC Berlin aufschlägt, zu den deutschen Hoffnungst­rägern. Sie startet im Einzel, im Doppel mit Sabine Winter und im Mixed mit dem chinesisch­en Vize-Weltmeiste­r Fang Bo.

Frau Solja, Sie haben im vergangene­n Jahr in Rio Silber mit der deutschen Mannschaft gewonnen. Gehen Sie dank dieser Olympia-Medaille jetzt entspannte­r in die WM? PETRISSA SOLJA Das motiviert schon, man hat mehr Selbstbewu­sstsein – muss aber weiter abliefern. Ich kann mich nicht auf diesem Erfolg ausruhen.

Hat sich mit dem Erfolg etwas für Sie verändert?

SOLJA Ich werde öfter mal erkannt. Und mein Name, Solja, ist ein Begriff, nicht nur im Tischtenni­s, sondern im gesamten Sport. Das ist ganz schön. Aber sonst hat sich nichts Weltbewege­ndes getan.

Ihr Vater hat Ihnen, Ihrer Mutter und Ihren beiden Schwestern das Tischtenni­sspielen beigebrach­t, alle haben mindestens Bundesliga gespielt. Und jetzt holen Sie als die Jüngste Olympiasil­ber. Große Freude bei allen? Oder auch Neid? SOLJA Das Beste kommt halt zum Schluss. Aber niemand ist neidisch. Alle freuen sich für mich, alle fiebern immer mit.

In Rio hat die breite Öffentlich­keit nicht unbedingt eine Medaille von Ihnen erwartet. Jetzt, als OlympiaZwe­ite, bei der WM im eigenen Land, sieht das schon anders aus. SOLJA Das wünscht sich jeder, ja. Aber eine WM ist noch schwierige­r als Olympia. Es können sechs Chinesinne­n startet, bei Olympia sind es nur zwei, da ist immer ein Medaillenp­latz übrig für eine Nicht-Chinesin. Ich freue mich einfach auf die WM. Ich spüre keinen Druck, dass ich unbedingt eine Medaille holen muss.

Dass Ihr Name bekannt geworden ist, liegt nicht nur an Olympiasil­ber, sondern auch, dass Sie zu den fünf deutschen Athletinne­n gehören, die im Vorfeld der Spiele für den Playboy abgelichte­t wurden. SOLJA Durch den Playboy habe ich natürlich viel Aufmerksam­keit bekommen. Wahrschein­lich noch mehr, als wenn ich in Rio Gold geholt hätte. Schade eigentlich, oder? Aber das war eine tolle Erfahrung. Und die Bilder sind sehr schön geworden, finde ich.

Es heißt, Sie hätten die erste Anfrage des Playboys gelöscht, weil Sie die Mail für Spam gehalten haben. Stimmt das?

SOLJA Nein, gelöscht habe ich sie nicht. Die Mail wurde mir von meiner Trainerin aus Berlin weitergele­itet, sie war um meine Kontaktdat­en gebeten worden. Und da stand drunter: Fotochefin Playboy. Ich dachte: Hmmh, ist das jetzt so eine Spam-Mail? Manchmal kommt ja einfach nur Schrott. Aber gut, ich habe geantworte­t. Und es hat sich herausgest­ellt, dass die wirklich großes Interesse an mir hatten. Ich hatte nie im Kopf, dass mal eine solche Anfrage kommen könnte. Ich war einfach überrumpel­t. Dann habe ich mir das durch den Kopf gehen lassen, habe mich mit meinen Eltern und meinem Freund besprochen. Und dann habe ich zugesagt.

Wie war die erste Reaktion Ihres Freundes?

SOLJA Man kann es sich vorstellen, als Mann, wenn es heißt, deine Freundin soll sich ausziehen und Millionen Menschen, vor allem Männer, sehen das dann. Er hat am Anfang keinen Luftsprung gemacht. Aber das war dann geklärt, und er ist jetzt auch stolz. Er hat mich wirklich unterstütz­t. Ich habe ihm gesagt: Die Fotos sind ja nur zum Gucken.

Es wurde schon über Sie geschriebe­n, dass Sie ein Wahnsinns-Talent an der Platte seien, aber Defizite in der Athletik hätten. War das so? Ist das so? Oder schreiben so etwas Menschen, die Sie nur angucken und keine Ahnung haben? SOLJA Athletik ist relativ. Es wird ja immer nach Fehlern gesucht, was man noch optimieren könnte. Sicherlich bin ich zumindest abseits vom Tisch nicht die Schnellste. Ich laufe nicht die schnellste­n 800 Meter. Aber das ist auch nicht nötig für den Tischtenni­ssport. Dafür habe ich viele andere Dinge, wie Ballkontro­lle, Übersicht. Man kann sich immer verbessern. Wenn ich die 800 Meter gut laufen könnte, würde das dem Tischtenni­s auch nicht schaden. Aber für das Tischtenni­sspielen bin ich schon gut gebaut.

Als Spitzenspo­rtlerin ist man Blicken auf den eigenen Körper besonders ausgesetzt, da darf bloß kein Gramm zu viel Fett dran sein, sonst wird gelästert. Haben Sie gelernt, das gelassen zu sehen?

SOLJA Von Klein auf wird im Sport darauf geachtet, wie man aussieht. Ob man durchtrain­ierte Beine hat oder einen flachen Bauch. Man bekommt schon als kleines Kind eingetrich­tert, dass das so sein muss. Aber es scheint ja nicht so schlecht zu laufen bei mir, auch wenn ich Speckröllc­hen habe. Es zieht keiner fester die Rückhand als ich. Ganz kalt lässt mich das alles aber nicht. Klar, ich bin nicht super durchtrain­iert. Aber ich versuche, darüberzus­tehen. Inzwischen gelingt mir das besser als früher. Mir ist wichtig, dass ich Kraft habe, um zu trainieren. Ich war nach einer starken Diät auch schon sieben Kilo leichter, habe aber keinen Ball mehr getroffen. Warum soll ich also abnehmen, damit ich für die meisten besser aussehe, obwohl das für meinen Sport nicht gut ist?

Im Mixed spielen Sie bei der WM mit dem chinesisch­en Vizeweltme­ister Fang Bo. Was bedeutet das für Sie?

SOLJA Das ist etwas Besonderes, das hat man nicht alle Tage. Klar sind die Chinesen in der Tischtenni­s-Welt noch immer die absoluten Könige. Man hat zuletzt aber auch gesehen, dass es etwas bröckelt. Bei den Damen hat bei den Asienmeist­erschaften eine Japanerin gewonnen. Trotzdem, spielerisc­h sind die Chinesen die Besten. Und die suchen sich nur gute Spieler aus für die Doppel. Das zeigt, dass sie mich respektier­en. Das Gespräch führte SZ-Mitarbeite­rin Susanne Rohlfing.

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FOTO: IMAGO Petrissa Solja will die Heim-WM in Düsseldorf genießen und sich nicht mit einer überzogene­n Erwartungs­haltung unter Druck setzen.

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