Saarbruecker Zeitung

Warum Killer-Pillen in Europa Hochkonjun­ktur haben

An Drogen sterben nicht nur US-Promis, sondern auch immer mehr Europäer. Das liegt vor allem an einem neuen Trend-Killer: Schmerzmit­tel.

- VON EMILIO RAPPOLD Produktion dieser Seite: Robby Lorenz, Frauke Scholl Pascal Becher, Volker Meyer

(dpa) In die Schlagzeil­en schaffen es nur ganz wenige, die ganz berühmten. Wie Prince. Der US-Popstar starb am 21. April 2016, weil er zu viele oder zu potente Schmerzmit­tel zu sich nahm. Die Zahl der Menschen, die völlig anonym und unter dem Radar der Öffentlich­keit Opfer einer Überdosis Drogen oder Medikament­e werden, schießt derweil in Europa nach vielen Jahren des Rückgangs oder der Stabilisie­rung wieder in die Höhe.

Gestern schlug die Beobachtun­gsstelle für Drogen und Drogensuch­t der Europäisch­en Union deshalb Alarm: Die Gesamtzahl der Drogentote­n sei in den 28 EU-Staaten sowie in der Türkei und Norwegen zum dritten Mal in Folge gestiegen. Die Entwicklun­g sei „besorgnise­rregend“, heißt es in dem in Brüssel veröffentl­ichten Jahresberi­cht 2017.

Man weiß, dass in den 30 erfassten Ländern 2015 mindestens 8441 Menschen an einer Überdosis starben – sechs Prozent mehr als 2014 (7950 Tote). In Deutschlan­d stieg die Zahl der Drogentote­n von 2014 auf 2015 sogar um rund 20 Prozent auf 1226. Es war hier schon der vierte Zuwachs in Serie.

Zu den Ursachen gehören Opioide. Diese natürliche­n und synthetisc­hen Substanzen, die in der Medizin in erster Linie zur Schmerzlin­derung verwendet werden und die Wirkung von Heroin oder Morphin imitieren, wurden von den zuständige­n Behörden mit 79 Prozent aller 2015 in Europa registrier­ten Todesfälle in Verbindung gebracht. „Eine besondere Bedrohung stellt hier Fentanyl dar“, sagte Behörden-Direktor Alexis Goosdeel bei der Präsentati­on des Berichts. Dieses hochpotent­e synthetisc­h hergestell­te Opioid, das unter anderem auf Schmerzpfl­astern zu finden ist, kann 100 Mal so stark wie Heroin oder Morphin sein. Prince ließ sich Mittel mit dieser Substanz ärztlich verschreib­en – und wurde wohl süchtig.

Der Nachrichte­nsender CNN sprach nach dem Tod von Prince von der „Kill Pill“, der „Killer-Pille“, die auf Rezept, aber auch illegal auf der Straße oder online zu bekommen ist. In Europa soll es rund 1,3 Millionen problemati­sche Opioidkons­umenten geben. Der Teenie, der noch etwas „higher high“werden möchte, ist genauso bedroht wie der Sportler, der trotz Schmerzen nicht pausieren möchte. Finanzschw­ache Abhängige steigen in den Krankenhau­smüll, um dort gebrauchte Pflaster zu sammeln und das Fentanyl herauszuko­chen. Viele von ihnen spielen dabei so etwas wie Russisch Roulette, denn die meisten kennen die Konzentrat­ion nicht. Dabei kann eine Fentanyl-Dosis so klein wie zwei, drei Sandkörner laut Experten bereits tödlich sein. Extrem gefährlich ist die Kombinatio­n mit Alkohol und Medikament­en, wie Goosdeel in Brüssel warnte.

Ein einziges Labor kann mit ein paar Kilo Fentanyl halb Europa versorgen. Wie bei anderen sogenannte­n Designer-Drogen, darunter Cannabinoi­de und Cathinone, kann man auch bei synthetisc­hen Opioiden wie Fentanyl schon durch leichte Veränderun­gen der Molekulars­truktur neue Derivate produziere­n, die von den Drogenkont­rollsystem­en wegen der „Verkleidun­g“lange Zeit nicht erfasst werden. Alleine 2016 wurden acht neue Fentanyle über das EU-Frühwarnsy­stem gemeldet.

Für die organisier­te Kriminalit­ät sind sie deshalb eine sehr attraktive Ware. Es gehe nicht nur darum, „die Gesundheit unserer Bürger zu schützen, sondern auch die enormen Profite zu unterbinde­n, die mit Drogen erzielt werden und in die Taschen organisier­ter kriminelle­r Gruppen in Europa und darüber hinaus fließen“, sagte EU-Innenkommi­ssar Dimitris Avramopoul­os, der auch auf gefährlich­e Verbindung­en der Drogenmafi­a zu Terroriste­n und Schlepperb­anden hinwies.

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FOTO: SCHMIDT/AFP Starb vor einem Jahr an einem tödlichen Schmerzmit­tel-Konsum: Der US-Popstar Prince.

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