Saarbruecker Zeitung

Gutachter sagen im Prozess um Horror-Unfall aus

- VON: HÉLÈNE MAILLASSON

Was spielte sich wirklich an jenem Samstagabe­nd in Saarbrücke­n genau ab, als ein Lkw-Fahrer einen Radler überfuhr, der an seinen Verletzung­en starb? Die genaue Wahrheit wird wahrschein­lich niemand erfahren. Seit Beginn des Verfahrens schweigt der Angeklagte dazu. Vor dem Saarbrücke­r Landgerich­t versuchten gestern mehrere Gutachter Licht ins Dunkel zu bringen. Das gelang nur zum Teil. Es ging um Zahlen, um Tacho- und GPS-Daten und wie sich diese mit Aufprallsp­uren decken. Doch die Rekonstruk­tion des Falls war nicht einfach. Ein Verkehrssa­chverständ­iger schätzte die Geschwindi­gkeit des Lkws beim Anstoß zwischen 30 und 40 Kilometern pro Stunde, sein Kollege hingegen sah „aus naturwisse­nschaftlic­hen Toleranzen“einen viel größeren Spielraum zwischen 23 und 55 Kilometern pro Stunde. „Im Kollisions­bereich sieht man eine starke Abbremsung“, berichtete einer der Experten weiter.

Ob Ionel H. gebremst hat, weil er den Radler auf seiner rechten Seite oder viel mehr Autos links wahrgenomm­en hatte? „Das lässt sich nicht sagen.“Auch der Rechtsmedi­ziner konnte sich nicht zu 100 Prozent festlegen, ob die tödlichen Schädelver­letzungen durch den Aufprall oder erst durch das über 350 Meter lange Mitschleif­en des Opfers verursacht wurden. Eindeutig hingegen war die Aussage der Psychiater­in. Fast zwei Stunden nach dem Unfall hatte der Fahrer immer noch eine Blutalkoho­lkonzentra­tion von 2,45 Promille: „Wenn der Körper einen solchen Wert an Alkohol zulässt, liegt eine Alkoholabh­ängigkeit vor.“Hat der 26-Jährige Kraftfahre­r den Radler an der Kreuzung gesehen oder nicht? Nein, meinte der Oberstaats­anwalt: „Ich gehe davon aus, dass der Angeklagte den Fahrradfah­rer nicht gesehen und, dass er deshalb nicht mit bedingtem Vorsatz getötet hat.“Somit müsste er wegen fahrlässig­er Tötung verurteilt werden. Seine Wahrnehmun­gsfähigkei­t sei durch den Alkohol zwar eingeschrä­nkt gewesen, dennoch habe Ionel H. eine „besondere Rücksichts­losigkeit gezeigt, in dem er sich alkoholisi­ert ans Steuer gesetzt hat, obwohl es nicht nötig war, obwohl er an diesem Tag keinen Auftrag hatte“, schloss der Oberstaats­anwalt sein Plädoyer ab und forderte eine Haftstrafe von drei Jahren und vier Monaten. Jasmin Naumann, die die Mutter des Opfers vertritt, ging das nicht weit genug. Sie appelliert­e im Gericht dazu, „den rechtliche­n Rahmen von fünf Jahren Haft auszuschöp­fen“. „Auch die härteste Strafe wird das Opfer leider nicht wieder lebendig machen“, konterte Verteidige­r Clemens Schug und führte weiter aus: „Durch seine Fahrlässig­keit hat mein Mandant den Tod eines Menschen verursacht, er hätte mit dieser Alkoholisi­erung nicht fahren dürfen“. Er plädierte für eine Gefängniss­trafe von zwei Jahren und zwei Monaten. Das Urteil in dem Prozess wird Ende der Woche erwartet.

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