Gutachter sagen im Prozess um Horror-Unfall aus
Was spielte sich wirklich an jenem Samstagabend in Saarbrücken genau ab, als ein Lkw-Fahrer einen Radler überfuhr, der an seinen Verletzungen starb? Die genaue Wahrheit wird wahrscheinlich niemand erfahren. Seit Beginn des Verfahrens schweigt der Angeklagte dazu. Vor dem Saarbrücker Landgericht versuchten gestern mehrere Gutachter Licht ins Dunkel zu bringen. Das gelang nur zum Teil. Es ging um Zahlen, um Tacho- und GPS-Daten und wie sich diese mit Aufprallspuren decken. Doch die Rekonstruktion des Falls war nicht einfach. Ein Verkehrssachverständiger schätzte die Geschwindigkeit des Lkws beim Anstoß zwischen 30 und 40 Kilometern pro Stunde, sein Kollege hingegen sah „aus naturwissenschaftlichen Toleranzen“einen viel größeren Spielraum zwischen 23 und 55 Kilometern pro Stunde. „Im Kollisionsbereich sieht man eine starke Abbremsung“, berichtete einer der Experten weiter.
Ob Ionel H. gebremst hat, weil er den Radler auf seiner rechten Seite oder viel mehr Autos links wahrgenommen hatte? „Das lässt sich nicht sagen.“Auch der Rechtsmediziner konnte sich nicht zu 100 Prozent festlegen, ob die tödlichen Schädelverletzungen durch den Aufprall oder erst durch das über 350 Meter lange Mitschleifen des Opfers verursacht wurden. Eindeutig hingegen war die Aussage der Psychiaterin. Fast zwei Stunden nach dem Unfall hatte der Fahrer immer noch eine Blutalkoholkonzentration von 2,45 Promille: „Wenn der Körper einen solchen Wert an Alkohol zulässt, liegt eine Alkoholabhängigkeit vor.“Hat der 26-Jährige Kraftfahrer den Radler an der Kreuzung gesehen oder nicht? Nein, meinte der Oberstaatsanwalt: „Ich gehe davon aus, dass der Angeklagte den Fahrradfahrer nicht gesehen und, dass er deshalb nicht mit bedingtem Vorsatz getötet hat.“Somit müsste er wegen fahrlässiger Tötung verurteilt werden. Seine Wahrnehmungsfähigkeit sei durch den Alkohol zwar eingeschränkt gewesen, dennoch habe Ionel H. eine „besondere Rücksichtslosigkeit gezeigt, in dem er sich alkoholisiert ans Steuer gesetzt hat, obwohl es nicht nötig war, obwohl er an diesem Tag keinen Auftrag hatte“, schloss der Oberstaatsanwalt sein Plädoyer ab und forderte eine Haftstrafe von drei Jahren und vier Monaten. Jasmin Naumann, die die Mutter des Opfers vertritt, ging das nicht weit genug. Sie appellierte im Gericht dazu, „den rechtlichen Rahmen von fünf Jahren Haft auszuschöpfen“. „Auch die härteste Strafe wird das Opfer leider nicht wieder lebendig machen“, konterte Verteidiger Clemens Schug und führte weiter aus: „Durch seine Fahrlässigkeit hat mein Mandant den Tod eines Menschen verursacht, er hätte mit dieser Alkoholisierung nicht fahren dürfen“. Er plädierte für eine Gefängnisstrafe von zwei Jahren und zwei Monaten. Das Urteil in dem Prozess wird Ende der Woche erwartet.