Saarbruecker Zeitung

Hommage an Artisten-Spezialist­en

Premiere der Doku „Akrobaten unter freiem Himmel“beim Festival Perspectiv­es.

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(tok) Ein Mann taumelt auf einer Treppe, stürzt hinab und aus unserem Blickfeld – einen Augenblick später schwebt er traumwandl­erisch wieder nach oben, die Füße finden die Stufen, er geht weiter – um gleich wieder zu fallen. Das sind die ersten, aber nicht die einzigen atemberaub­enden Bilder aus der Dokumentat­ion „Akrobaten unter freiem Himmel“von Netty Radvanyi und Nicos Argillet. Der knapp einstündig­e Film porträtier­t vor allem französisc­he Artisten des zeitgenöss­ischen Zirkus – der Treppenstü­rzer ist Yoann Bourgeois.

Am Montagaben­d erlebte die Arte-Produktion im Saarbrücke­r Kino Achteinhal­b ihre Premiere – im Rahmen des Festivals Perspectiv­es. Deren Leiterin Sylvie Hamard freut sich über die erste Kooperatio­n mit dem deutsch-französisc­hen Sender, „seit Jahren waren wir im Gespräch, der Film hat jetzt optimal gepasst“. Denn in der Dokumentat­ion (mit einem leider etwas langweilig­en Titel) sind einige Künstler zu sehen, die man vom Festival kennt – etwa Camille Boitel, Yoann Bourgeois und auch Alexandre Fray, der gerade mit seiner Compagnie „Un loup pour l’homme“und der Performanc­e „Rare Birds“beim Festival zu sehen war – er war bei der Vorstellun­g dabei, ebenso wie die Regisseuri­n Radvanyi, die diesen Künstlern „eine Stimme geben“will, denn „sonst reden die ja weniger“.

Im Film, der sich in Kapitel wie „Schwerkraf­t“, „Balance“, „Zeit“und „Zufall“gliedert, erscheint Fray unter dem Motto „Anziehung“; man sieht ihn mit seinen Kollegen bei Bewegungen und Formatione­n, die der Schwerkraf­t ein Schnippche­n zu schlagen scheinen und wirken, als gebe es zwischen den Körpern ein blindes Verständni­s. Was aber täuscht – hier ist alles Kommunikat­ion, und die ist laut Fray einfach harte Arbeit: „Wenn man stürzt, hat die Kommunikat­ion versagt.“Tatiana-Mosio Bongonga balanciert 40 Meter über dem Boden des nächtliche­n Caen über ein Stahlseil („Der Straßenver­kehr ist vielleicht gefährlich­er als das“, sagt sie), der Jongleur Jörg Müller sieht als Grundlage seiner Kunst „das Verstehen der Objekte“. Und der gewitzte Performanc­e-Künstler Camille Boitel liefert sich gerne dem Zufall aus, etwa wenn er auf einem Tischchen steht, das unter seinen Hammerschl­ägen immer wackeliger wird.

Optisch kunstvoll ist der Film, mit manchmal magischen Bildern in der Natur im Sonnen- und Gegenlicht, mit Zeitlupen-Aufnahmen, die die urwüchsige Schönheit der Bewegungen betonen – eine Liebeserkl­ärung an die neue Zirkus-Kunst.

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