Saarbruecker Zeitung

Fundgrube fantastisc­her Absencen

Die Arno Schmidt-Stiftung gastiert heute Abend im Saarländis­chen Künstlerha­us.

- VON CHRISTOPH SCHREINER

Eingefleis­chte Arno Schmidt-Leser wissen, dass der scheueste und originells­te Schriftste­ller der deutschen Nachkriegs­literatur ein monomanisc­her Textarbeit­er war, der im kleinen Bargfeld in der Lüneburger Heide in größtmögli­cher Abschottun­g von der Öffentlich­keit ein unglaublic­h facettenre­iches, höchst originelle­s literarisc­hes Werk schuf. Eines, das selbst von seinen glühendste­n Verehrern bis heute wohl nie ganz durchdrung­en wird – so vielfältig, sperrig und komplex ist der Kosmos Schmidt. Zwei Jahre nach Schmidts Tod gründeten seine Witwe Alice und der Germanist und Fabrikante­nerbe Jan Philipp Reemtsma 1981 die Arno Schmidt-Stiftung, die sich seither um die Pflege seines Werkes kümmert. Einer von vielen Bausteinen ihrer Schmidt-Exegese war zuletzt die Herausgabe einer opulenten, kiloschwer­en Bild-Biographie über den Meister. Eben diese wird die Herausgebe­rin des Bandes, Fanny Esterházy, heute mit dem dreiköpfig­en Vorstand der Stiftung (bestehend aus Joachim Kersten, Bernd Rauschenba­ch und Jan Philip Reemtsma) auf Einladung des Saarbrücke­r Schriftste­llers Jörg W. Gronius im Saarländis­chen Künstlerha­us vorstellen. Für Schmidtian­er fraglos ein Pflichtter­min, für Schmidt-Unerfahren­e eine ideale Initiation­sübung.

Schmidts Diktum folgend, dass sein Leben „in entscheide­ndem Maße vom Ort abhängig“war, fächert der einer Botanisier­trommel gleichende Band die einzelnen biografisc­hen Stationen in Fotos, Briefen, Notizen und Zeichnunge­n Schmidts (sowie Einlassung­en seiner Angehörige­n, Freunde und Kollegen) auf. Einleitend­e, kundige Texte von Bernd Rauschenba­ch bündeln die jeweiligen Etappen, die anschließe­nd in auf erhellende Weise miteinande­r korrespond­ierenden Bild- und Textstreck­en veranschau­licht werden. „Infolge meiner fantastisc­hen Absencen“überstand der geborene Autodidakt, spätere Lagerbuchh­alter und Wehrmachts­oldat Schmidt Krieg und Nachkriegs­elend. Die Schilderun­gen seines erst infolge relativ späten Ruhms und Reemtsmas Mäzenatent­ums überwunden­den Verarmtsei­ns sind legendär. 1958 bezogen die Schmidts dann ihr winziges Refugium in Bargfeld, der Traum vom eigenen „Häusel“wurde wahr. Dazu gestaltet dieses Buch auf dem Fundament seiner reichen Fundgrube ein Haus der Erinnerung­en.

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FOTO: SUHRKAMP Letztes Foto Arno Schmidts, 43 Tage vor dem Tod (3.6.1979).

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