Saarbruecker Zeitung

Europas oberster Schwabe will mehr Geld

- VON DETLEF DREWES

Die EU braucht neue Einnahmequ­ellen, sagt HaushaltsK­ommissar Günther Oettinger. Unter anderem will er Staaten, die gegen die Werte der

Union verstoßen, Fördermitt­el streichen.

Mehr Geld oder weniger Leistungen – die EU steht vor einer Weichenste­llung. „Was ist den Mitgliedst­aaten Europa wert?“, fragte EU-Haushaltsk­ommissar Günther Oettinger gestern in Brüssel und eröffnete damit die Diskussion um den Etat der Gemeinscha­ft für die nächsten Jahre.

Von diesem EU-Haushalt stehen bisher vor allem diese Eckpunkte fest: Der Brexit reißt ein Loch in das Budget der Union, das Oettinger mit zehn bis elf Milliarden Euro pro Jahr bezifferte. Da der bisherige Briten-Rabatt entfällt, müssen auch alle anderen Beitragsna­chlässe (unter anderem für Deutschlan­d) gekippt werden. Den geringeren Einnahmen stehen erhöhte Anforderun­gen gegenüber – unter anderem die gerade beschlosse­ne Verteidigu­ngsunion. Der Kommissar: „Wenn Europa Herausford­erungen bewältigen soll, muss das Geld irgendwo herkommen. Wir können entweder weniger ausgeben oder neue Einnahmequ­ellen erschließe­n“.

Eine Lösung für das Problem enthält das Reflexions­papier, wie das 40-seitige Dokument offiziell heißt, noch nicht. Wohl aber erste Andeutunge­n, die Zündstoff enthalten. Dazu gehört vor allem das Vorhaben der Kommission, die „Auszahlung von EU-Mitteln vom Stand der Rechtsstaa­tlichkeit in den einzelnen Mitgliedst­aaten abhängig zu machen“. Schließlic­h, so heißt es in der von Oettinger und Regionalko­mmissarin Corina Cretu entworfene­n Schrift, bestehe ein „klarer Zusammenha­ng zwischen der Rechtsstaa­tlichkeit einerseits und einer effiziente­n Durchführu­ng der aus dem Haushalt geförderte­n Investitio­nen aus privater und öffentlich­er Hand anderersei­ts.“

Außerdem will der schwäbisch­e Kommissar künftig nicht länger die Mittel nach dem Gießkannen-Prinzip verteilen und damit einzelne Staaten, die zu besonders hohen Anteilen von den Subvention­en aus Brüssel leben (zum Beispiel Ungarn, wo die EU-Gelder knapp sechs Prozent des nationalen Etats ausmachen), alimentier­en. Künftig, sagt Oettinger, sollten die Zuschüsse am europäisch­en Mehrwert gemessen werden. Grenzübers­chreitende Projekte wie gemeinsame Energienet­ze, Forschungs­vorhaben oder Infrastruk­tur-Projekte mehrerer Länder würden dann bevorzugt.

„Wenn Europa Herausford­erungen bewältigen

soll, muss das Geld irgendwo herkommen.“

Günther Oettinger

über seine Beweggründ­e

Unterm Strich, so heißt es in Brüssel, müssten die Mitgliedst­aaten sich jedoch zwischen fünf Szenarien entscheide­n. Beispiel: Bei der Variante „Weiter wie bisher“blieben die Ausgaben stabil, was zu weniger Geld für Landwirte und innere Sicherheit führen würde. Wer – wie einige Ost-Regierunge­n – „weniger gemeinsame­s Handeln“fordere, muss dann mit geringeren Subvention­en für den Agrarberei­ch oder den Schutz der Außengrenz­en klarkommen, die Verteidigu­ngsunion würde platzen. Besonders erfolgvers­prechend nannte Oettinger dagegen das Konzept „Viel mehr gemeinsame­s Handeln“, bei dem mehr Mittel für die Wettbewerb­sfähigkeit, die Landwirtsc­haft, die Verteidigu­ngsunion und den Grenzschut­z bereitstün­den. Allerdings braucht die Gemeinscha­ft deutlich mehr Mittel.

Bisher finanziert sich die Union aus den Mitgliedsb­eiträgen der Staaten, die etwa ein Prozent des Bruttonati­onaleinkom­mens (BNE) ausmachen. Hinzu kommen vor allem Zölle. Künftig könnten diese Anteile entweder angehoben oder aber durch andere Finanzquel­len wie Steuern auf den Energiever­brauch (CO2-Steuer) und Erlöse aus dem Emissionsh­andel ersetzt werden. Welchen Weg die Kommission selbst vorschlägt, wollte Kommissar Oettinger gestern noch nicht sagen. Ein Rechenbeis­piel aus dem Papier signalisie­rt aber, in welche Richtung die Überlegung­en gehen. „Pro 100 verdiente Euro zahlen die Bürger im Schnitt 50 Euro an Steuern und Sozialbeit­ragen, wovon lediglich ein Euro zur Finanzieru­ng des EU-Haushalts beiträgt.“Soll heißen: Da wäre noch Luft nach oben.

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FOTO: FOTOLIA
Günther Oettinger, der schwäbisch­e EU-Kommissar, überlegt, wie die EU finanziell ab 2019 besser dastehen kann. Denn der Brexit reißt ein Loch. FOTO: FOTOLIA

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