Saarbruecker Zeitung

Der NSA-Ausschuss schließt die Akten – und streitet bis zuletzt

- Produktion dieser Seite: Robby Lorenz, Frauke Scholl Pascal Becher

Das Gremium deckte unerhörte Überwachun­gspraktike­n auf – auch deutsche. Über die Schuldigen herrschte allerdings auch zum Finale keine Einigkeit.

(dpa) Vor vier Jahren brachte ein gewisser Edward Snowden einen gigantisch­en Skandal ins Rollen. Der frühere NSA-Mitarbeite­r machte die globalen Überwachun­gsaktionen des US-Geheimdien­sts publik, der sogar das Handy der Bundeskanz­lerin abhörte. Der Aufschrei war groß. „Ausspähen unter Freunden, das geht gar nicht“, schimpfte Merkel. Im Folgejahr nahm der Untersuchu­ngsausschu­ss seine Arbeit auf. Die NSA-Affäre entwickelt­e sich zur BND-Affäre und ist für viele der größte Geheimdien­stskandal seit Jahrzehnte­n. Hier die wichtigste­n Fragen und Antworten zur Bilanz des U-Ausschusse­s: Worum ging es im NSA-Ausschuss? Das Gremium wollte klären, ob und wie Nachrichte­ndienste der USA, Großbritan­niens, Kanadas, Australien­s und Neuseeland­s deutsche Daten ausspähten. Auch ob US-Stellen gezielte Tötungen durch Drohnen-Einsätze aus Deutschlan­d gesteuert haben, interessie­rte die Parlamenta­rier. Geklärt werden sollte zudem, was die Bundesregi­erung und deutsche Nachrichte­ndienste wussten und wie eng sie mit ihren ausländisc­hen Partnern zusammenar­beiten. Zudem sollte über Konsequenz­en beraten werden, so dass Daten deutscher Unternehme­n, Bürger und staatliche­r Stellen besser vor Spionage geschützt werden.

Was hat das Gremium erreicht? „Kein Ausschuss oder Kontrollgr­emium hat sich bisher so intensiv damit beschäftig­t, wie elektronis­che Kommunikat­ionsüberwa­chung im 21. Jahrhunder­t funktionie­rt“, sagt SPD-Mann Christian Flisek. Die Abgeordnet­en fanden skandalöse Dinge heraus: Auch der BND spähte über Jahre Daten befreundet­er Staaten sowie von Unternehme­n mit Suchbegrif­fen (Selektoren) aus. Dazu zählen E-Mail-Adressen, Telefonnum­mern oder IP-Adressen. Er sei aus allen Wolken gefallen, als er von den BND-Praktiken gelesen habe, sagt der Grüne Hans-Christian Ströbele. Vertreter des Kanzleramt­s behauptete­n immer wieder, über die Ausspähung­en nicht informiert gewesen zu sein.

Was hat er nicht erreicht? Viele Fragen bleiben weiterhin offen – vor allem über die NSA. „Wir wissen überhaupt nicht, was die NSA alleine oder mit Hilfe von deutschen Daten, die über die USA laufen, ausspionie­rt hat“, so Ströbele. Mehrere Versuche der Opposition, Snowden nach Deutschlan­d zu holen, scheiterte­n. Vertreter großer IT-Konzerne, etwa Facebook-Gründer Mark Zuckerberg, lehnten eine Aussage ab. Hat der Ausschuss konkrete Konsequenz­en? Ja. So hat die Koalition dem BND 2016 per Gesetz strengere Regeln verpasst. Ein externes Richtergre­mium soll die Spionage-Selektoren überprüfen. Die Opposition kritisiert­e die Reform als Legitimier­ung von Massenüber­wachung. Der Ausschuss deckte nach Ansicht etwa der SPD auch Schwachste­llen bei der Spionageab­wehr auf – da fehlen laut Flisek Konsequenz­en: „Da ist noch unglaublic­h viel Luft nach oben beim Bundesamt für Verfassung­sschutz.“ Warum gibt es nun zum Ende noch mal Ärger?

Nachdem der Vorsitzend­e Patrick Sensburg (CDU) den fast 2000 Seiten dicken Abschlussb­ericht an Bundestags­präsident Norbert Lammert ausgehändi­gt hatte, übergab auch die Opposition – und das ist ungewöhnli­ch – ihr eigenes Sondervotu­m. Dieses Votum ist im Schlussber­icht zwar enthalten. Allerdings sind dort deutlich mehr Stellen geschwärzt. Zuletzt hatte es um das Votum mächtig Ärger gegeben, Sensburg berief sogar die Linken und Grünen als Berichters­tatter ab. Mit ihrem Sondervotu­m macht die Opposition klar: Sie sehen eklatante Defizite auch im Bundeskanz­leramt. Für die Koalition liegen Verfehlung­en ausschließ­lich beim BND. War der Ärger vielleicht auch für etwas gut? Möglicherw­eise. Lammert will bei der Einstufung (geheimer) Dokumente künftig die Macht der Regierung beschneide­n. Es reiche nicht aus, dass die Regierung selbst definiere, welche Papiere sie für einen Ausschuss als geheim einstufe und sich die Parlamenta­rier damit zufrieden geben müssten. Der Bundestags­präsident schlug die Einrichtun­g einer verbindlic­hen Schiedsste­lle vor.

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FOTO: BÜTTNER/DPA
Der US-Geheimdien­st NSA spähte lange auch deutsche Daten aus. Was er damit tat, konnte der U-Ausschuss seit 2014 aber nicht ermitteln. FOTO: BÜTTNER/DPA

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