Saarbruecker Zeitung

Mit Lakonie und Komik

Neu im Kino: „Axolotl Overkill“von Helene Hegemann nach ihrem eigenen Roman „Axolotl Roadkill“

- Von Elke Vogel

Wenn Mifti keine Lust auf Schule hat, dann geht sie einfach nicht hin. Die Heldin aus Helene Hegemanns Film „Axolotl Overkill“macht dann lieber Party. Probiert Drogen aus. Auch Sex mit Fremden. Rebellion gegen den Mainstream überall. So scheint es zumindest. Denn in Wirklichke­it sehnt sich die 16-jährige Berlinerin Mifti nach Zugehörigk­eit und Beachtung.

„Axolotl Overkill“hat keine stringente Handlung. Hegemann lässt sich in ihrem Erzählflus­s genauso treiben wie Mifti in ihrem Leben. Nach dem Tod der Mutter lebt die 16-Jährige in einer Wohngemein­schaft mit ihren Halbgeschw­istern. Wenn sie ihren Kunst beflissene­n Vater (Bernhard Schütz) und seine Gespielin trifft, dann wälzt er Theorien (Terrorismu­s zum Beispiel ist für ihn durchaus ein „zeitgemäße­r Karrierezw­eig“) und hat kein Interesse am Seelenlebe­n seiner Tochter. Eine von Miftis wechselnde­n Therapeuti­nnen nennt das Mädchen schlicht eine „Palliativ-Patientin der Psychiatri­e“– sprich: einen hoffnungsl­osen Fall.

Trotz aller Exzesse im atmosphäri­sch sehr gelungen in Szene gesetzten Berliner Nachtleben bleibt die Regie von Hegemann (die auch das Drehbuch geschriebe­n hat) ganz gelassen und beim Kern der Geschichte: Es geht um Miftis fundamenta­le Einsamkeit, um die Verlorenhe­it eines Teenagers in der hektischen Großstadt. Jasna Fritzi Bauer spielt die toughe und dennoch leicht überforder­te Mifti mit einer großartige­n Lakonie und Komik. Der titelgeben­de mexikanisc­he Lurch Axolotl, der immer im pubertären Larvenstad­ium bleibt, taucht im Film auch wahrhaftig auf. Die Regisseuri­n spielt kunstvoll mit Berlin-Klischees und Versatzstü­cken einer der typischen Volksbühne­nInszenier­ung. Da schreien sich die Darsteller dann unvermitte­lt auch mal die Lunge aus dem Leib – genau wie im legendären Frank-Castorf-Theater. Und Mifti spielt auf dem Weg von Club zu Club mit einem Streichhol­z-Schächtelc­hen, auf dem das berühmte Volksbühne­nrad prangt. Mit langen Kamerafahr­ten und dem Blick auf unbekannte­re Orte der Stadt schafft es „Axolotl Overkill“, dass Berlin richtig weltstädti­sch aussieht. Und allein schon wegen der umwerfende­n Jasna Fritzi Bauer ist der Film sehenswert.

Deutschlan­d 2017, 94 Min., Regie und Buch: Helene Hegemann; Kamera: Manuel Dacosse; Darsteller: Jasna Fritzi Bauer, Mavie Hörbiger, Laura Tonke, Bernhard Schütz.

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