Erfrischender Trip in den Pott
Neu im Kino: „Sommerfest“von Sönke Wortmann – Zeitgenössisches Heimatkino nach Frank Goosens Roman mit starker Besetzung
Zöllner hat ein Engagement am Theater in München, als ihn die Nachricht von Vaters Tod erreicht. Stefan begibt sich noch im Kostüm zum Zug und fährt in die alte Heimat Bochum, wo sich wenig bis nichts verändert zu haben scheint.
Stefans alter Kumpel Frank leitet jetzt das Industriemuseum, in dem sein Vater malocht hatte, und Franks Frau Karin lächelt verführerischer denn je. Die Jungs aus dem Viertel geben sich zunächst reserviert. Schauspieler beim Theater – aus dem Stefan ist nicht wirklich was geworden. Aber alle wollen wissen, ob er schon Charlie angerufen hat, die er als Junge unterm Tisch in der Kneipe küsste, vor der er weglief, als sie bereit für ihn war. Jetzt steht er vor ihr und plötzlich ist es so, wie es schon immer hätte sein können.
Sönke Wortmann hatte zuletzt wieder eine steigende Erfolgskurve zu verzeichnen, weil er mit der Adaption des Bühnenhits „Frau Müller muss weg“den garantiert geringsten Weg des ZuStefan schauerwiderstands nahm. Das war auf seine Weise so unwürdig wie das verkorkste „Hochzeitsvideo“und das überflüssige InternetclipExperiment „Deutschland. Dein Selbstporträt“.
Doch dann drehte er für die ARD die Serie „Charité“, die ziemlich gut war für ein unterbudgetiertes historisches Kostümstück. Und jetzt legt Wortmann das vor, was er am besten kann: zeitgenössisches Heimatkino. An alten Wirkungsstätten hat er Frank Goosens zugrundeliegenden Roman in guter Balance zwischen Kitsch und Klischee, Nostalgie und Realität, Komik und Pathos authentisch in Szene gesetzt. Neben den beiden anderen guten Revierfilmen, Winkelmanns „Junges Licht“und Matthias Kutschmanns „Radio Heimat“(auch eine Goosen-Adaption), ist Wortmanns Ansatz weniger verklärend, aber immer noch Glanzbild genug, um Pott-Gefühl wie live erlebt zu vermitteln.
Für den Trip hat Wortmann diesmal besonders gut besetzt, den Helden, die Großmäuler und die Verlierer, vor allem aber die Frauen. Anna Bederke, Sandra Borgmann, Jasna Fritzi Bauer – hier bekommen sie Rollen, wie es sie nur im Kino geben kann. Der Kniff liegt in der Nuance. Diesmal hat Wortmann seine Sache richtig gut gemacht.
D 2017, 92 Min., Camera Zwo (Sb); Regie, Buch: Sönke Wortmann; Kamera: Michael Wiesweg; Musik: Martin Todsharow; Darsteller: Lucas Gregorowicz, Anna Bederke, Nicholas Bodeux, Peter Jordan, Sandra Borgmann, Markus John, Jasna Fritzi Bauer, André Rhode.
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