Ein Abschied mit Tränen und Trauer
Vor genau fünf Jahren ging im Saarland die Steinkohle-Ära zu Ende. Doch der Bergbau lebt hier noch heute. Eine Spurensuche.
Es war ein besonderer Tag, jener 30. Juni 2012, als an der Saar nach einem Vierteljahrtausend eine Ära zu Ende ging, als der Steinkohle-Bergbau nicht mehr Gegenwart, sondern Geschichte war. Das letzte Stück Kohle übergab Partiemann Stefan Busch feierlich an Jürgen Eikhoff, Vorstandsmitglied des Bergbau-Konzerns RAG. 30 Fackeln, die von Grubenwehr-Männern getragen wurden, beleuchteten die Szene. Musik brandete auf. Mehr als 10 000 Frauen und Männer, die zur Mettenschicht auf die Anlage Duhamel nach Ensdorf gekommen waren, stimmten in das Lied ein: „Ich bete an die Macht der Liebe“. Tränen flossen, Menschen lagen sich in den Armen. Eine riesige Grubenlampe stieg in den Himmel.
Fünf Jahre ist das heute her. Die Ära des Nachbergbaus ist längst angebrochen. Dort, wo damals die Feier war, sind heute die Bagger tätig. Der Rohkohle-Bunker ist schon abgerissen, als nächstes kommt die Kohlenwäsche dran. Allerdings hat dort auch die neue Repräsentanz der RAG ihren Sitz. Hier arbeiten nicht nur Frauen und Männer, die für die RAG noch an der Saar tätig sind. Eine Ausstellung zeigt auch, wie der Bergbau die Landschaft und die Menschen prägte. Denn es ist ein gewaltiges Erbe. Die Menge der Steinkohle, die im Saar-Revier während der 250 Jahre gefördert wurde, hätte ausgereicht, um 18,7 Millionen Güterwaggons randvoll zu befüllen, wie das Statistische Amt Saarland ausgerechnet hat. Dies ergäbe zusammen einen Güterzug von 180 356 Kilometern Länge, was ausreichen würde, ihn viereinhalb Mal um die Erdkugel zu schlingen.
Knapp 250 Menschen arbeiten noch für den Bergbau-Konzern an der Saar. 80 davon sind für die Tochtergesellschaft RAG Montan Immobilien (RMI) tätig, die die Grundstücke verwaltet oder vermarktet, die der RAG gehören. „Es sind noch etwa 2000 Hektar“, sagt RMI-Repräsentant Rudolf Krumm. Gut die Hälfte davon sind so genannte Entwicklungsoder Stilllegungsflächen, wobei die zweiteren der Natur zurückgegeben werden. Auf den Entwicklungsflächen hat RMI zusammen mit Partnern in den vergangenen Jahren unter anderem Windräder hochgezogen oder Photovoltaik (PV)-Anlagen errichtet. Diese grüne Phase neigt sich ihrem Ende zu. Im PV-Bereich wird noch ein Solarfeld auf dem Gelände der früheren Grube Jägersfreude in Saarbrücken errichtet. Bei den Windrädern „werden nur noch die genehmigten Projekte fertiggestellt“, sagt Krumm. Zum einem ist das der Windpark Gohlocher Wald bei Lebach und Erkershöhe zwischen Merchweiler und Friedrichsthal. Auf anderen Flächen muss abgewartet werden, bis sie aus dem Bergrecht entlassen sind und damit ohne Auflagen genutzt werden können. Rund 20 Mitarbeiter sind beim Oberbergamt Saarland und beim Bergamt Saarbrücken unter anderem noch mit diesen Aufgaben betraut. „Derzeit laufen noch rund 50 Verfahren für Abschlussbetriebspläne“, sagt Hans-Alois Schmitt, Chef des Bergamts Saarbrücken. „Es ist noch nicht abzusehen, wann damit Schluss ist.“Außerdem sind die Bergbehörden, die dem Wirtschaftsministerium unterstehen, auch dafür zuständig, dass zahlreiche Stollen und Schächte gesichert sind. Zudem fördert die Saarbrücker Firma Steag New Energies noch Grubengas aus alten Kohleflözen und verbrennt es, um daraus Strom und Wärme zu gewinnen.
Der größte Brocken ist allerdings das Grubenwasser. In diesem Bereich „arbeiten auch die meisten Männer und Frauen in der RAG-Repräsentanz an der Saar“, sagt deren Chef Uwe Penth. Geplant ist, das Grubenwasser bis 2035 weiter ansteigen zu lassen, um es dann in die Saar abzuleiten. Genehmigt ist das allerdings noch nicht. Das Planfeststellungsverfahren könnte in diesem Jahr anlaufen. Derzeit wird noch an fünf Standorten die Wasserhaltung kontrolliert: in Reden, Duhamel, Luisenthal, Camphausen und Viktoria. Derzeit werden die Pumpen in der Tiefe abmontiert und von oben neue Pumpen eingehängt, die auf die Höhe des Wasserspiegels eingestellt werden. „Auf diese Weise können wir das Ansteigen des Grubenwassers jederzeit stoppen“, sagt Penth.
Es gibt allerdings auch noch aktive saarländische Bergleute. Rund 110 arbeiten in Nordrhein-Westfalen, die meisten von ihnen, rund 100, in Ibbenbüren bei RAG Anthrazit. Dort ist auch der Sulzbacher Andreas Mansfeld (49) als Betriebsrat tätig. „Wir wurden hier oben toll aufgenommen“, sagt Mansfeld. Für viele der Bergmänner aus dem Saarland ist die Zeit „auf Montage“bald vorbei. Denn auch das Bergwerk Ibbenbüren wird Ende 2018 geschlossen. „Die meisten unserer Leute gehen auf die 50 zu“, erinnert der Betriebsrat. „Wer 25 Jahre unter Tage gearbeitet hat, kann dann den Vorruhestand genießen“. Und die Familien wird es freuen.
Lange fortleben wird das Bergbau-Erbe in der Musik. „Bei uns ist kein Ende in Sicht“, meint Walter Engel, Vorsitzender des Saarknappen-Chors. Das gleiche kann er für die Bergkapelle sagen. Der jüngste Chorsänger sei 17 Jahre, das Durchschnittsalter der rund 40 Sänger liege bei 50 Jahren. Chor und Bergkapelle heimsen Medaillen und Preise ein, veranstalten Tourneen. „Wir sind sehr gefragt“, freut sich Engel. Finanziert werden sie von der RAG-Stiftung, der Muttergesellschaft der RAG. Engel gönnt sich einen Werbeblock. „Wer Chor und Kapelle hören will, muss am Sonntag, 16. Juli, um 11 Uhr zum Tag des Bergbaus auf die Bergehalde nach Landsweiler-Reden kommen“, verrät er. Dann gibt es Böhmisch-Mährische Blasmusik auf die Ohren – aber wohl auch den Steigermarsch.