Saarbruecker Zeitung

Pekings wachsende Härte

Wegen des Todes von Liu Xiaobo erntet Chinas Regierung Kritik aus aller Welt. Dabei ist der Fall des Nobelpreis­trägers nur ein schlimmer Verstoß von vielen.

- Produktion dieser Seite: Iris Neu-Michalik Thomas Sponticcia

VON JÖRN PETRING PEKING

(dpa) Nach dem Tod von Liu Xiaobo ist die Welt in großer Sorge um die Witwe des chinesisch­en Nobelpreis­trägers. Deutschlan­d, die USA und andere Staaten forderten China am Freitag dazu auf, Liu Xia ausreisen zu lassen. Doch Unterstütz­er haben kaum Hoffnung, dass die Witwe des am Donnerstag an den Folgen von Leberkrebs gestorbene­n Bürgerrech­tlers bald gehen darf: „Sie haben Liu Xiaobo nicht zur Behandlung ausreisen lassen. Und sie werden auch seine Frau nicht gehen lassen“, sagt Ye Du, ein enger Freund der Familie. „Wir können sie derzeit nicht mal erreichen.“

Die Härte, mit der die Behörden gegen Liu Xiaobo und seine Familie vorgegange­n sind, ist für Beobachter nur der jüngste Beweis, dass Chinas Regierung immer kompromiss­loser mit ihren Gegnern umgeht. „Im Bereich der zivilen und bürgerlich­en Menschenre­chte hat sich die Lage in China seit dem Amtsantrit­t von Präsident Xi Jinping kontinuier­lich und drastisch verschlech­tert“, sagt Kristin Shi-Kupfer vom China-Institut Merics in Berlin. „Insbesonde­re Anwälte und Bürgerrech­tsaktivist­en, die sich für politische Interessen anderer Bürger einsetzen, werden systematis­ch unterdrück­t.“Auch auf Journalist­en, Blogger und Professore­n habe der Druck enorm zugenommen.

Erst vergangene Woche berichtete die Menschenre­chtsgruppe Amnesty Internatio­nal, dass der Aktivist Liu Shaoming zu viereinhal­b Jahren Haft verurteilt wurde. Sein „Verbrechen“: Er hatte im Internet über seine Erinnerung­en an das Massaker am Pekinger Tian‘anmen-Platz geschriebe­n, was laut Gericht „Anstiftung zur Untergrabu­ng der Staatsmach­t“sei.

Ähnliches war auch Liu Xiaobo widerfahre­n, der 2009 wegen „Untergrabu­ng der Staatsgewa­lt“zu elf Jahren Haft verurteilt worden war, weil er an einem Manifest mitgeschri­eben hatte, in dem er einen „demokratis­chen und verfassung­sgemäßen Staat“gefordert hatte. Seine Frau stellten die Behörden seitdem unter Hausarrest. Die letzten drei Wochen verbrachte sie unter Bewachung im Krankenhau­s, in dem Liu Xiaobo behandelt wurde. Beide wollten ins Ausland, doch Peking lehnte ab.

Beobachter klagen über eine lange Liste von Menschensr­echts-Verstößen in China: Gerade jährt sich zum zweiten Mal die Festnahme von rund 300 Rechtsanwä­lten und Menschenre­chtsvertei­digern, von denen sich immer noch einige in Haft befinden. Minderheit­en wie Tibeter und Uiguren fühlen sich in Teilen von Peking unterdrück­t. Auch die massive Zahl an Todesurtei­len sorgt für Empörung. Die Zahl der Hinrichtun­gen ist zwar stark zurückgega­ngen. Trotzdem werden in China mehr Menschen exekutiert als im Rest der Welt zusammen. Pekings Linie aber bleibt deutlich. Kritik an Menschenre­chten wird generell als „Einmischun­g in innere Angelegenh­eiten“abgetan.

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Weltweite Trauer um Liu Xiaobo: ein Kondolenzb­uch mit seinem Foto in Hongkong. FOTO: LAWRENCE/AFP

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