„Oktober 2018 ist praktisch morgen“
Was der EU-Mann von der nächsten schwierigen Brexit-Runde am Montag erwartet.
BRÜSSEL Der Chef der Liberalen im Europäischen Parlament, Guy Verhofstadt (64), erwartet am Montag in der zweiten Brexit-Verhandlungsrunde deutliche Signale der Briten. Herr Verhofstadt, Ihnen ging der bisherige Vorschlag der Briten zu den Bürgerrechten nicht weit genug. Warum?
VERHOFSTADT Es geht nicht, dass die Briten die Rechte der EU-Bürger einschränken. Denn wir haben überhaupt nicht vor, die Rechte der auf dem Festland lebenden Briten zu beschneiden. Das muss London auch garantieren. Für uns ist das eine rote Linie. Hinzu kommt noch die Frage, wer darüber wacht – der Europäische Gerichtshof, ja oder nein? Wie wird das verwaltungstechnisch geregelt? Das allein ist schon ein sehr schwieriges Thema, das ab Montag verhandelt werden muss. Was erwarten Sie sich von dieser zweiten Verhandlungsrunde?
VERHOFSTADT Dass es einen deutlichen Fortschritt bei den Bürgerrechten gibt. Das ist die größte Priorität. Und zweitens, dass es eine finanzielle Regelung geben muss. Ein weiterer Punkt ist die Grenzfrage zwischen Nordirland und der irischen
Republik, wo schnell Klarheit geschaffen werden muss. Das wird wohl nicht innerhalb einer Verhandlungsrunde zu machen sein. Die Unsicherheit darf aber nicht anhalten. Bleibt überhaupt genug Zeit, um bis Herbst 2018 fertig zu sein?
VERHOFSTADT Ja, Oktober 2018 ist praktisch morgen. Bis dahin müssen eine ganze Reihe von brisanten Fragen geklärt sein: die Konditionen der Trennung, darin eingeschlossen die Klärung der Grenzverhältnisse zwischen Nordirland und Irland. Es muss eine Idee dazu geben, wie die zukünftigen Beziehungen aussehen könnten. Und wir brauchen eine Grundlage für die Übergangsphase, bis die Verträge für die neuen Verbindungen stehen. Als Vorlage ließen sich die bestehenden Regeln für ein Assoziierungsabkommen verwenden. Die genauen Konditionen könnten dann in der vermutlich drei bis vier Jahre dauernden Übergangszeit definiert werden. Bis Herbst 2018 muss also nicht jedes Detail geklärt sein. Aber die Zeit ist dennoch knapp. Wir werden deshalb in der Sommerpause weiterverhandeln. Sie haben gedroht, dass das Parlament am Ende ein Veto gegen den Vertrag einlegt.
VERHOFSTADT Das stimmt, aber das würden wir dann auch vorher bekannt geben. Die Kommission und die britische Seite könnten also nicht sagen, sie hätten davon nichts gewusst. Ob es soweit kommt, lässt sich schwer vorhersehen. Aber wenn die Briten sich gegen all unsere Anforderungen stellen, kann das passieren. DIE FRAGEN STELLTE MIRJAM MOLL. Komplettes Interview auf www.saarbruecker-zeitung.de/ interviews