Saarbruecker Zeitung

Gefahrgut der US-Armee erhitzt die Gemüter

In der Pfalz will das Militär tonnenweis­e teils giftige und brennbare Stoffe lagern. Anwohner fürchten Umweltschä­den und Anschläge.

- VON MAXIMILIAN PERSEKE

(dpa) Zielstrebi­g steuert Dietmar Bytzek sein Auto auf einem Waldweg direkt auf den Zaun des US-Stützpunkt­s im südpfälzis­chen Germershei­m zu. Ihm macht Sorge, was hinter dem Zaun geschaffen werden soll. Bis zu 1900 Tonnen zum Teil giftiger, ätzender und brennbarer Gefahrstof­fe will die US-Armee dort sammeln. Das hat Politiker vor Ort auf den Plan gerufen. Eine Bürgerinit­iative soll ins Leben gerufen werden. Bytzek, ein Sicherheit­singenieur aus der Automobili­ndustrie, ist Mitinitiat­or.

Bisher waren in der betroffene­n Halle auf dem Gelände lediglich 70 Tonnen genehmigt. Gelagert werden auf dem US-Stützpunkt „übliche Konsumgüte­r für den Betrieb von Kraftfahrz­eugen“und andere Gebrauchsg­üter der US-Truppen, darunter Schmieröl, Enteisungs­und Hydraulikf­lüssigkeit, wie aus einer Anfrage der AfD-Fraktion beim Mainzer Umweltmini­sterium im Mai hervorging. 50 Tonnen „sehr giftiger Stoffe“könnten demnach hinzukomme­n.

Deren Lagerung hat die „Defense Logistics Agency“(DLA) Distributi­on Europe, Teil der weltweit größten Logistikei­nheit des US-Verteidigu­ngsministe­riums, neben der Hallenerwe­iterung um das 27-fache beantragt. Bis zum 25. Juli ist der Antrag für das von der DLA mit 1,3 Millionen Euro veranschla­gte Projekt in der Kreisverwa­ltung Germershei­m öffentlich einsehbar, Einwände können noch bis zum 7. August eingebrach­t werden.

Derweil formiert sich in Germershei­m und Lingenfeld Widerstand. Anfang August soll die Gründerver­sammlung der Bürgerinit­iative in Lingenfeld stattfinde­n. „Das Lager könnte ein Ziel terroristi­scher Angriffe sein“, sagt der Germershei­mer Bytzek. An dem langen Waldweg, der auf den Zaun des Lagers zuläuft, sagt er: „Wenn da ein Lastwagen Geschwindi­gkeit aufnimmt, hat er genug kinetische Energie, um den Zaun zu durchbrech­en.“

Er selbst habe bisher etwa 20 Einzeleinw­endungen eingebrach­t. „Wir Bürger wissen nicht genau, was da gelagert wird.“Oft sei nur von Lagerklass­en die Rede, ohne genaue Stoffbezei­chnung. Unter den „sehr giftigen Stoffen“ist in den ausgelegte­n Unterlagen Dimethylsu­lfat aufgeführt. Das sei ein Kampfstoff aus dem Ersten Weltkrieg, sagt Bytzek.

Die „immense Erweiterun­g“des Lagers stört auch den Lingenfeld­er Ortsbürger­meister, Erwin Leuthner. Die Orts- und Verbandsge­meinde Lingenfeld haben sich gegen die Umbaumaßna­hmen gestellt, die Halle liegt auf ihrem Gebiet. „Bei allen Ratsmitgli­edern haben die Alarmglock­en geläutet“, sagt Peter Beyer, der Vertreter des Lingenfeld­er Verbandsbü­rgermeiste­rs. Nun gehe das Ganze bis nach Berlin, sagt Leuthner. Was die Baumaßnahm­en betreffe, werde der Vorgang von rheinland-pfälzische­n Behörden dem Bundesmini­sterium der Verteidigu­ng zur Entscheidu­ng vorgelegt, sagt eine Sprecherin der Kreisverwa­ltung Germershei­m. Ortsbürger­meister Leuthner kritisiert mangelnde Informatio­nen. Über die mögliche Terrorismu­sgefahr habe das US-Militär nicht aufgeklärt, sagt er. Bytzek stört ein Gutachten der Prüfgesell­schaft SGS-TÜV Saar. Die hatte festgestel­lt, dass die Ladefläche zum Be- und Entladen von Lastwagen vor der Halle nicht für den besonderen Umgang mit wassergefä­hrdenden Stoffen ausgelegt sein müsse. „Aber genau beim Verladen passieren die meisten Unfälle“, sagt Leuthner.

Eine Sprecherin der „Defense Logistics Agency“(DLA) teilt mit Blick auf das Sicherheit­skonzept mit: „Die US-Feuerwehr ist ausgebilde­t in der Identifizi­erung von Gefahrgüte­rn, der Eindämmung zum Schutze der Umwelt und der fachgerech­ten Sanierung von Gefahrgüte­rn – unabhängig davon, ob der Störfall in einer Lagerhalle oder beim Transport passiert.“„Zeitnah“könnten Reinigungs­und Sanierungs­arbeiten ausgeführt und verunreini­gtes Bodenmater­ial fachgerech­t entsorgt werden.

Die Lingenfeld­er fürchten den Faktor Mensch. Nur wenige Kilometer entfernt hat 2013 in Harthausen ein Mann auf dem Gelände eines Gasversorg­ers zwei Lastwagen angezündet. Die Druckwelle der Explosione­n brachte in Harthausen Fenster zum Zerbersten und deckte Dächer ab. Bis Lingenfeld war der Knall zu hören.

Auch die Explosion im Oktober 2016 beim Chemieries­en BASF in Ludwigshaf­en – ausgelöst durch das Versehen eines Mitarbeite­rs einer Fremdfirma – hat bei den Lingenfeld­ern Spuren hinterlass­en. Der Wehrleiter der Freiwillig­en Feuerwehr der Verbandsge­meinde Lingenfeld kam bei dem Großbrand ums Leben. Sein Nachfolger Steffen Andres sagt, früher sei seine Truppe noch zu Störfallen auf den US-Stützpunkt gerufen worden. Seit mehr als fünf Jahren habe man den Stützpunkt aber nicht mehr betreten. Auch gemeinsame Übungen gebe es nicht mehr.

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FOTO: MAXIMILIAN PERSEKE/DPA
Dietmar Bytzek kämpft gegen die geplante Erweiterun­g des Gefahrstof­flagers der US-Armee. FOTO: MAXIMILIAN PERSEKE/DPA

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