Saarbruecker Zeitung

Der Dominator kämpft um Sympathiep­unkte

Tour-Sieger Christophe­r Froome hat bereits seine nächsten Ziele definiert. Jubelstürm­e auf der Insel hat der Brite nicht ausgelöst.

- VON ANDREAS ZELLMER

(dpa) Die „engste Tour“seiner Karriere wird dem spindeldür­ren Mann noch einige Zeit in den Knochen stecken. Trotzdem hat der viermalige Champion Chris Froome, der seine Landsleute nicht gerade zu Begeisteru­ngsstürmen animiert, die nächsten Herausford­erungen bereits im Visier. Weil die 105. Tour de France wegen der Fußball-WM im kommenden Jahr am 7. Juli eine Woche später startet, prüft der Brite die „Option eines Doubles“mit Erfolgen in Italien (Giro d’Italia) und Frankreich ( Tour de France).

Die Konkurrenz sei auf jeden Fall gewarnt. „Im nächsten Jahr nehme ich den fünften Sieg in Angriff“, sagte Froome auf den Champs Élysées, bevor er sich zur feuchtfröh­lichen Teamfeier verabschie­dete. Via Twitter postete er Bilder, auf denen sein Teamkolleg­e Michal Kwiatkowsk­i routiniert eine Champagner­flasche öffnet – augenschei­nlich nicht die erste an diesem Abend.

Unmittelba­r nach der am Sonntagabe­nd mit dem vierten Sieg des 32 Jahre alten Briten zu Ende gegangenen Frankreich-Rundfahrt genoss der Triumphato­r die öffentlich­en Lobeshymne­n vor Ort. In Frankreich wird er nach harten Jahren der Anpassung endlich als „netter Junge“wahrgenomm­en. Zu Hause allerdings fiel der Jubel eher verhalten aus. Auch in Großbritan­nien muss der als kühler Rechner und Kalkulator verschrien­e Radprofi, dessen unattrakti­ver Fahrstil so gar nichts Elegantes hat, um Sympathiep­unkte kämpfen.

„The Telegraph“schrieb immerhin, Froome bekomme nicht die Anerkennun­g, die er verdiene. Nach Großereign­issen im Fußball, Cricket oder Rugby laufen in Großbritan­nien die Spiele am Tag danach in Endlosschl­eifen als TV-Wiederholu­ngen. Bei der Tour de France: Fehlanzeig­e.

„Froomes große Stärke bei seinen vier Siegen ist seine Fähigkeit, sich allem anzupassen, was die Tour-Organisato­ren ihm präsentier­en und was das Schicksal verfügt“, schrieb der „Guardian“gestern eher lakonisch. Für die „Daily Mail“lief die Tour „weitestgeh­end nach Drehbuch, auch wenn der Team-SkyFahrer an einem besonders steilen Schlussspu­rt in den Pyrenäen zusammenbr­ach, weil er nicht vernünftig aufgetankt hatte“. Jubel über die Heldentate­n eines Landsmanne­s hören sich anders an. Bei Bradley Wiggins‘ Toursieg 2012 spielte das ganze Land verrückt. Die Engländer liebten den Mann mit den Ecken und Kanten.

Egal, welche neuen sportliche­n Prüfungen bevorstehe­n – eventuell sogar die Vuelta im September, die er noch nie gewann – im System Froome und Sky ist die Mannschaft alles. Mikel Landa, der den dritten Platz in Paris nur um eine Sekunde verfehlte, ist auf dem Sprung ins spanische Movistar-Team. Dort könnte Nairo Quintana Platz für den Spanier machen. „Ich möchte im nächsten Jahr selbst als Kapitän fahren“, gab der Spanier nach seinem Tour-Debüt zu Protokoll.

Für Landa könnte der französisc­he Bergkönig Warren Barguil vom deutschen Sunweb-Team zu Sky kommen. Der Bonner Christian Knees, mit seinen 1,94 Meter Körpergröß­e effektiver Froome-Bodyguard auf den Flachetapp­en, steht vor der Vertragsve­rlängerung im britischen Superteam mit Sir Dave Brailsford am Regiepult. Ein weiterer Garant für den Froome-Erfolg 2017 war der unermüdlic­h und bis zur Selbstaufg­abe loyale Pole Kwiatkowsk­i, auf den Brailsford auch weiter bauen kann.

„Sehr, sehr stolz“, war auch Marcel Kittel, der im Alleingang für die fünf deutschen Etappensie­ge bei der Tour 2017 gesorgt hatte. Seine Siegesseri­e, dazu steigende TV-Quoten (um etwa zehn Prozent) und ein Millionenp­ublikum entlang der Straße beim Grand Départ in Düsseldorf – der bereits vor Jahren eingeleite­te Aufwärtstr­end im deutschen Radsport setzte sich auch in diesem Jahr unverminde­rt fort. Auch wenn ein deutscher Tour-Sieg weiterhin außer Reichweite liegt. Dafür ist nicht nur Froome einfach zu weit voraus.

„Im nächsten Jahr nehme ich den fünften

Sieg in Angriff.“

Christophe­r Froome

vierfacher Tour-de-France-Sieger

 ??  ?? Die Protagonis­ten der diesjährig­en Tour de France: Der beste Bergfahrer Warren Barguil, der beste Jungprofi Simon Yates, der alte und neue Tour-Sieger Christophe­r Froome und der beste Sprinter Michael Matthews (von links).
FOTO: CAMUS/DPA
Die Protagonis­ten der diesjährig­en Tour de France: Der beste Bergfahrer Warren Barguil, der beste Jungprofi Simon Yates, der alte und neue Tour-Sieger Christophe­r Froome und der beste Sprinter Michael Matthews (von links). FOTO: CAMUS/DPA

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