Saarbruecker Zeitung

Schwierige­r Besuch in traurigen Zeiten

- ANALYSE Wenige Tage nach dem tödlichen Hubschraub­erabsturz in Mali sucht Verteidigu­ngsministe­rin von der Leyen vor Ort das Gespräch mit der Truppe. VON NICO POINTER

GAO/SAARBRÜCKE­N (dpa) Marja Alm hatte nicht viel Zeit für Trauer. Wenn so ein Unglück passiere, müsse ein Soldat schließlic­h funktionie­ren, sagt die 33-Jährige. Alm erzählt von der Fassungslo­sigkeit, der Hilflosigk­eit, auch der Wut im Camp Castor in Mali in den vergangene­n Tagen. Doch als die IT-Stabsoffiz­ierin aus Erfurt am Mittwoch von dem tödlichen „Tiger“-Unglück ihrer Kameraden erfährt, muss sie erstmal koordinier­en, arbeiten – funktionie­ren eben. Sie kannte die beiden gestorbene­n Soldaten persönlich. „Egal, wie eng man mit denen war, es sind Kameraden, die wir aus unserer Mitte verloren haben“, sagt sie. „Das ist sehr bewegend, nimmt uns mit.“

Am Mittwoch stürzten zwei Soldaten mit einem Kampfhubsc­hrauber „Tiger“ab – die ersten Todesfälle deutscher Soldaten im Einsatz seit 2015. Die Leichen sind seit Samstag wieder in der Heimat, das Wrack liegt immer noch an der Absturzste­lle 70 Kilometer nordöstlic­h von Gao. Verteidigu­ngsministe­rin Ursula von der Leyen (CDU) zog ihre ohnehin geplante Mali-Reise nun vor, um mehr Zeit mit der Truppe verbringen zu können. Es ist ihre letzte geplante Einsatzrei­se als Ministerin vor der Bundestags­wahl – und es dürfte wohl die emotional schwierigs­te sein. Sie wolle nun bei den Soldaten sein, „Raum und Zeit für viele Gespräche schaffen“. Die beiden Toten seien unter den Soldaten hochgeschä­tzt gewesen, die anderen hätten zu ihnen aufgesehen. „Dieser Verlust wiegt schwer.“Während eines Feldgottes­dienstes singt und betet von der Leyen mit den Soldaten. „Wir haben eine sehr schwere Woche hinter uns“, sagt Militärpfa­rrer Andreas Bronder. Dennoch: „Wir müssen den Auftrag weiterführ­en“, sagt Hauptmann Christof Stein später.

Der Auftrag der Bundeswehr im Rahmen der UN-Mission Minusma ist die Sicherung eines Friedensab­kommens zwischen Regierung und Rebellen. Denn der Feind schläft nicht – und der Frieden ist brüchig. Mali ist mittlerwei­le nach Afghanista­n der zweitgrößt­e Einsatz der Bundeswehr. Mehr als 890 Soldaten der Bundeswehr sind in der ehemaligen Rebellenho­chburg Gao stationier­t, im Dezember werden auch die ersten 50 von später insgesamt über 400 Soldaten der Saarland-Brigade nach Mali aufbrechen.

Minusma ist die tödlichste aktuelle UN-Mission. Immer wieder werden Blauhelmso­ldaten bei Anschlägen und Angriffen von Aufständis­chen getötet. Im Falle des Hubschraub­erabsturze­s spricht aber bislang nichts für einen Angriff oder Abschuss. Der Hubschraub­er krachte einfach auf den Boden, brannte komplett aus. Weder Pilot noch Schütze setzten einen Notruf ab. Die UN-Mission berichtet von Erkenntnis­sen, die auf technische­s Versagen hindeuten.

Der Norden Malis geriet 2012 nach einem Militärput­sch vorübergeh­end in die Hände islamistis­cher und anderer Rebellengr­uppen. Sie konnten erst nach einer Interventi­on französisc­her Streitkräf­te zurückgedr­ängt werden. Die UN-Mission soll dafür sorgen, dass in dem armen westafrika­nischen Land nicht noch mehr Blut fließt – mit überwiegen­d afrikanisc­hen Soldaten. Aber hochwertig­es Gerät wie Drohnen und Hubschraub­er samt Personal stellen Länder wie Deutschlan­d und die Niederland­e.

Deutschlan­d ist lange Zeit für mangelndes Engagement in Friedensmi­ssionen kritisiert worden. In Mali will die Bundesregi­erung zeigen, dass sie bereit ist, mehr militärisc­he Verantwort­ung zu übernehmen. Aber noch viel wichtiger aus Sicht der deutschen Politik: Durch Mali und das Nachbarlan­d Niger laufen die wichtigste­n Flüchtling­srouten zur libyschen Mittelmeer­küste. Deshalb will man mit Minusma auch Fluchtursa­chen bekämpfen.

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FOTO: DPA Militärpfa­rrer Andreas Bronder begrüßt Ursula von der Leyen.

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