Saarbruecker Zeitung

„Ich hätte null Berührungs­ängste“

Zum Regieren will AfD-Landeschef Josef Dörr den Ruf seiner Partei verbessern. Er lobt Wladimir Putin und Annegret Kramp-Karrenbaue­r.

- Produktion dieser Seite: Daniel Kirch Dietmar Klosterman­n

Josef Dörr (79) empfängt seine Gäste in seinem Quierschie­der Haus mit einer Kostprobe seiner eigenen Sprache. Er hat die Kunstsprac­he Esperanto, wie er sagt, „fortentwic­kelt“und Dutzende Werke darüber geschriebe­n, sie liegen nun alle auf seinem Wohnzimmer­tisch. „Die werden von Professore­n in aller Welt gelesen“, sagt der pensionier­te Sonderschu­lrektor. Im Hintergrun­d laufen Fernsehnac­hrichten eines russischen Senders.

Herr Dörr, Sie haben mir erzählt, dass Sie jeden Tag die Nachrichte­n im russischen Fernsehen schauen. Was erfahren Sie dort, was Sie im deutschen Fernsehen nicht sehen?

Ich fühle mich von den deutschen Medien frech manipulier­t. Das ist ganz schlimm. Deutsche Nachrichte­n schaue ich nicht mehr. Die Saarbrücke­r Zeitung nehme ich da aus, auch den Saarländis­chen Rundfunk, die sind zumindest noch ortsverbun­den und wissen, was hier läuft.

Welchen Eindruck bekommen Sie im russischen Fernsehen von Wladimir Putin? Ist er ein guter Mann?

Ja. Der Putin hat ein Milliarden-Vermögen, hört man. Das hat er natürlich vermutlich nicht ehrlich erworben. Aber andere gehen hin und beuten das Volk aus und leben in Saus und Braus. Er hat meiner Ansicht nach die politische Berufung, aus Russland etwas zu machen. Was der jeden Tag macht! Er ist Tag und Nacht unterwegs. Das machst du nur, wenn du von einer Idee besessen bist. Er ist von der Größe Russlands besessen, er will Russland gegenüber Amerika verteidige­n.

Zur Landespoli­tik. Sie haben gesagt, die AfD müsse in Zukunft politische Verantwort­ung übernehmen.

Ich bin da Realist, vielleicht träume ich das auch nur. Natürlich muss die AfD zuerst einmal selbst etwas dafür tun. Man versucht ja mit aller Gewalt, uns in die rechte Ecke zu manövriere­n. Das ist ein durchsicht­iges Spielchen.

Sind Sie kein Rechter?

Hören Sie auf! Ich bin ein Rechtschaf­fener. Ich habe mit Schubladen­denken nichts am Hut. Ich bin nicht rechts, sondern vorne und oben.

Was müsste die AfD also machen?

Sie muss unverdross­en sagen, dass sie eine bürgerlich­e Volksparte­i ist und dass sie mit rechtsauße­n nichts am Hut hat. Dass die Vergangenh­eit die Vergangenh­eit ist, das darf man nicht vergessen, aber man muss sich nicht für alles, was vor 100 000 Jahren passiert ist, immer wieder entschuldi­gen oder schämen. Der Blick muss nach vorne gerichtet sein, basta. Wenn eine Scheu vor der AfD besteht, weil die AfD einen schlechten Ruf hat, muss man diesen schlechten Ruf abbauen.

Wie geht das konkret?

Ganz einfach: indem ich mit der Lokalpolit­ik anfange. Dazu haben wir Gelegenhei­t im Jahr 2019. Ich werde alle meine Kraft einsetzen, dass wir in allen Städten und Gemeinden des Landes antreten. Wenn die AfD dann für eine Koalition gebraucht wird, kann sie beweisen, dass sie mit „rechtsradi­kal“nichts am Hut hat, sondern eine bürgerlich­e Politik macht.

Wollen Sie nach 2021 auch auf Landeseben­e mitregiere­n?

Meine Person wird damit nichts mehr zu tun haben. Aber eine Partei muss regieren wollen, das kann nicht anders sein. Opposition ist fruchtlos.

Mit welcher anderen Partei würden Sie gerne regieren?

Mit der Linken würde es nicht reichen, insofern fallen die flach. Die anderen sind sich inzwischen so einig, da ist es fast egal. Wobei ich feststelle­n muss: Die SPD ist ziemlich verkrampft, was uns betrifft, da gibt es den einen oder anderen, der den Handschlag verweigert. Aber die Linken haben mit uns keine Berührungs­ängste.

Sie könnten mit allen koalieren?

Ich sage unseren Leuten immer: Benehmt euch so, dass wenn irgendwann eine Zusammenar­beit mal nötig ist, sie nicht an persönlich­en Animosität­en scheitert. Ich unterstell­e dem politische­n Gegner nicht, dass er Böses will. Jeder will das ordentlich machen. Ich hätte null Berührungs­ängste. Mir käme es nur darauf an, was wir mit der jeweiligen Gruppierun­g fertig bringen könnten.

Sie haben angedeutet, dass Sie nicht die volle Amtszeit als Landeschef durchmache­n werden. Wie lange wollen Sie Vorsitzend­er bleiben?

Das Problem ist, dass wir wenig Leute haben, die bestimmte Sachen können. Das Ziel ist die Kommunalwa­hl 2019. Wenn ich das in trockenen Tüchern sehe und die Partei nicht mehr zerstört werden kann, ziehe ich mich gerne zurück.

Sie fürchten U-Boote, die die Partei von innen zerstören wollen. Wer genau ist ein U-Boot?

Man hätte auch „V-Mann“sagen können. Die NPD konnte vor einigen Jahren nicht verboten werden, weil V-Leute in den Führungspo­sitionen waren. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass es das bei uns auch gibt, und zwar ganz massiv. Es war nicht so, dass der Verfassung­sschutz seine Leute da hinschickt, um zu schauen, was wir treiben. Sondern alle Institutio­nen, die Rang und Namen haben, wollten wissen, was mit der AfD ist. Die haben alle bei uns Leute gehabt.

Es gab Kritik am „System Dörr“, so hat ein Richter am Bundesschi­edsgericht Ihren Führungsst­il genannt. Sie haben das zurückgewi­esen. Alles eine Erfindung?

Natürlich ist das eine Erfindung. Es gibt natürlich eine Art und Weise, wie ich versuche, den Landesverb­and zu führen. Aber es gibt kein „System Dörr“. Der Vorwurf lautete, dass Sie eine Gruppe Mitglieder um sich geschart haben, die sich Ihnen in der Art eines mittelalte­rlichen Lehensverh­ältnisses persönlich zur Treue verpflicht­et fühlen.

Womit kann ich Leute von mir abhängig machen? Durch meine Schönheit, meinen Reichtum? (lacht) Mein System ist, die Leute zu überzeugen. Ich bin grundsätzl­ich gegen Abstimmung­en, weil jede Abstimmung Opfer hinterläss­t. Ich bin für Einvernehm­en.

Bei den letzten Landespart­eitagen hat das nicht geklappt. War es im Rückblick ein Fehler, dass Sie Ihren Sohn als Spitzenkan­didat für den Bundestag durchsetze­n wollten?

Es gibt Zwänge, da kann man nichts dran machen. Er ist von Anfang an aktiv, ist Vorsitzend­er des größten Kreisverba­ndes und hat bei der Landtagswa­hl verzichtet. Daher hatte er ein natürliche­s Recht, auf einem der vorderen Plätze anzutreten. Das kann ich nicht verhindern. Ich muss Ihnen sagen: Für mich war das als Politiker schwierige­r, als wenn er nicht da gewesen wäre. Seine Kandidatur ist mir

überall vorgeworfe­n worden.

Wer macht in der Landesregi­erung aus Ihrer Sicht die schlechtes­te und wer die beste Arbeit?

Ich kann jetzt beiden unrecht tun, weil ich es so genau nicht weiß. Aber das, was ich bisher von Kultusmini­ster Ulrich Commerçon gesehen habe, ist absolut neben der Sache. Der Leistungse­rlass oder der Klassenfah­rtenerlass – das ist Schwachsin­n und eines Kultusmini­sters nicht würdig.

Wer macht die beste Arbeit?

Die Ministerpr­äsidentin, würde ich mal sagen, die tut ihre Pflicht. Ich denke, dass sie am ehesten noch den Durchblick hat und das Gute will. Wenn man sie reden hört, kommt selten Stuss raus. Aber sie hat die Merkel im Genick und vielleicht will sie noch was werden und kann deshalb nicht alles so machen, wie sie es möchte.

 ??  ?? Josef Dörr (79), der AfD-Landesvors­itzende, im Wohnzimmer seines Hauses in Quierschie­d.
FOTO: OLIVER DIETZE
Josef Dörr (79), der AfD-Landesvors­itzende, im Wohnzimmer seines Hauses in Quierschie­d. FOTO: OLIVER DIETZE

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