„Ich hätte null Berührungsängste“
Zum Regieren will AfD-Landeschef Josef Dörr den Ruf seiner Partei verbessern. Er lobt Wladimir Putin und Annegret Kramp-Karrenbauer.
Josef Dörr (79) empfängt seine Gäste in seinem Quierschieder Haus mit einer Kostprobe seiner eigenen Sprache. Er hat die Kunstsprache Esperanto, wie er sagt, „fortentwickelt“und Dutzende Werke darüber geschrieben, sie liegen nun alle auf seinem Wohnzimmertisch. „Die werden von Professoren in aller Welt gelesen“, sagt der pensionierte Sonderschulrektor. Im Hintergrund laufen Fernsehnachrichten eines russischen Senders.
Herr Dörr, Sie haben mir erzählt, dass Sie jeden Tag die Nachrichten im russischen Fernsehen schauen. Was erfahren Sie dort, was Sie im deutschen Fernsehen nicht sehen?
Ich fühle mich von den deutschen Medien frech manipuliert. Das ist ganz schlimm. Deutsche Nachrichten schaue ich nicht mehr. Die Saarbrücker Zeitung nehme ich da aus, auch den Saarländischen Rundfunk, die sind zumindest noch ortsverbunden und wissen, was hier läuft.
Welchen Eindruck bekommen Sie im russischen Fernsehen von Wladimir Putin? Ist er ein guter Mann?
Ja. Der Putin hat ein Milliarden-Vermögen, hört man. Das hat er natürlich vermutlich nicht ehrlich erworben. Aber andere gehen hin und beuten das Volk aus und leben in Saus und Braus. Er hat meiner Ansicht nach die politische Berufung, aus Russland etwas zu machen. Was der jeden Tag macht! Er ist Tag und Nacht unterwegs. Das machst du nur, wenn du von einer Idee besessen bist. Er ist von der Größe Russlands besessen, er will Russland gegenüber Amerika verteidigen.
Zur Landespolitik. Sie haben gesagt, die AfD müsse in Zukunft politische Verantwortung übernehmen.
Ich bin da Realist, vielleicht träume ich das auch nur. Natürlich muss die AfD zuerst einmal selbst etwas dafür tun. Man versucht ja mit aller Gewalt, uns in die rechte Ecke zu manövrieren. Das ist ein durchsichtiges Spielchen.
Sind Sie kein Rechter?
Hören Sie auf! Ich bin ein Rechtschaffener. Ich habe mit Schubladendenken nichts am Hut. Ich bin nicht rechts, sondern vorne und oben.
Was müsste die AfD also machen?
Sie muss unverdrossen sagen, dass sie eine bürgerliche Volkspartei ist und dass sie mit rechtsaußen nichts am Hut hat. Dass die Vergangenheit die Vergangenheit ist, das darf man nicht vergessen, aber man muss sich nicht für alles, was vor 100 000 Jahren passiert ist, immer wieder entschuldigen oder schämen. Der Blick muss nach vorne gerichtet sein, basta. Wenn eine Scheu vor der AfD besteht, weil die AfD einen schlechten Ruf hat, muss man diesen schlechten Ruf abbauen.
Wie geht das konkret?
Ganz einfach: indem ich mit der Lokalpolitik anfange. Dazu haben wir Gelegenheit im Jahr 2019. Ich werde alle meine Kraft einsetzen, dass wir in allen Städten und Gemeinden des Landes antreten. Wenn die AfD dann für eine Koalition gebraucht wird, kann sie beweisen, dass sie mit „rechtsradikal“nichts am Hut hat, sondern eine bürgerliche Politik macht.
Wollen Sie nach 2021 auch auf Landesebene mitregieren?
Meine Person wird damit nichts mehr zu tun haben. Aber eine Partei muss regieren wollen, das kann nicht anders sein. Opposition ist fruchtlos.
Mit welcher anderen Partei würden Sie gerne regieren?
Mit der Linken würde es nicht reichen, insofern fallen die flach. Die anderen sind sich inzwischen so einig, da ist es fast egal. Wobei ich feststellen muss: Die SPD ist ziemlich verkrampft, was uns betrifft, da gibt es den einen oder anderen, der den Handschlag verweigert. Aber die Linken haben mit uns keine Berührungsängste.
Sie könnten mit allen koalieren?
Ich sage unseren Leuten immer: Benehmt euch so, dass wenn irgendwann eine Zusammenarbeit mal nötig ist, sie nicht an persönlichen Animositäten scheitert. Ich unterstelle dem politischen Gegner nicht, dass er Böses will. Jeder will das ordentlich machen. Ich hätte null Berührungsängste. Mir käme es nur darauf an, was wir mit der jeweiligen Gruppierung fertig bringen könnten.
Sie haben angedeutet, dass Sie nicht die volle Amtszeit als Landeschef durchmachen werden. Wie lange wollen Sie Vorsitzender bleiben?
Das Problem ist, dass wir wenig Leute haben, die bestimmte Sachen können. Das Ziel ist die Kommunalwahl 2019. Wenn ich das in trockenen Tüchern sehe und die Partei nicht mehr zerstört werden kann, ziehe ich mich gerne zurück.
Sie fürchten U-Boote, die die Partei von innen zerstören wollen. Wer genau ist ein U-Boot?
Man hätte auch „V-Mann“sagen können. Die NPD konnte vor einigen Jahren nicht verboten werden, weil V-Leute in den Führungspositionen waren. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass es das bei uns auch gibt, und zwar ganz massiv. Es war nicht so, dass der Verfassungsschutz seine Leute da hinschickt, um zu schauen, was wir treiben. Sondern alle Institutionen, die Rang und Namen haben, wollten wissen, was mit der AfD ist. Die haben alle bei uns Leute gehabt.
Es gab Kritik am „System Dörr“, so hat ein Richter am Bundesschiedsgericht Ihren Führungsstil genannt. Sie haben das zurückgewiesen. Alles eine Erfindung?
Natürlich ist das eine Erfindung. Es gibt natürlich eine Art und Weise, wie ich versuche, den Landesverband zu führen. Aber es gibt kein „System Dörr“. Der Vorwurf lautete, dass Sie eine Gruppe Mitglieder um sich geschart haben, die sich Ihnen in der Art eines mittelalterlichen Lehensverhältnisses persönlich zur Treue verpflichtet fühlen.
Womit kann ich Leute von mir abhängig machen? Durch meine Schönheit, meinen Reichtum? (lacht) Mein System ist, die Leute zu überzeugen. Ich bin grundsätzlich gegen Abstimmungen, weil jede Abstimmung Opfer hinterlässt. Ich bin für Einvernehmen.
Bei den letzten Landesparteitagen hat das nicht geklappt. War es im Rückblick ein Fehler, dass Sie Ihren Sohn als Spitzenkandidat für den Bundestag durchsetzen wollten?
Es gibt Zwänge, da kann man nichts dran machen. Er ist von Anfang an aktiv, ist Vorsitzender des größten Kreisverbandes und hat bei der Landtagswahl verzichtet. Daher hatte er ein natürliches Recht, auf einem der vorderen Plätze anzutreten. Das kann ich nicht verhindern. Ich muss Ihnen sagen: Für mich war das als Politiker schwieriger, als wenn er nicht da gewesen wäre. Seine Kandidatur ist mir
überall vorgeworfen worden.
Wer macht in der Landesregierung aus Ihrer Sicht die schlechteste und wer die beste Arbeit?
Ich kann jetzt beiden unrecht tun, weil ich es so genau nicht weiß. Aber das, was ich bisher von Kultusminister Ulrich Commerçon gesehen habe, ist absolut neben der Sache. Der Leistungserlass oder der Klassenfahrtenerlass – das ist Schwachsinn und eines Kultusministers nicht würdig.
Wer macht die beste Arbeit?
Die Ministerpräsidentin, würde ich mal sagen, die tut ihre Pflicht. Ich denke, dass sie am ehesten noch den Durchblick hat und das Gute will. Wenn man sie reden hört, kommt selten Stuss raus. Aber sie hat die Merkel im Genick und vielleicht will sie noch was werden und kann deshalb nicht alles so machen, wie sie es möchte.