Saarbruecker Zeitung

„Das muss einfach den Nerv der Zeit treffen“

Bettina Bruinier ist die neue Schauspiel-Chefin am Staatsthea­ter. Zum Einstand inszeniert sie „Nathan der Weise“.

- VON SILVIA BUSS

SAARBRÜCKE­N

Anfang Juni, als sie mit den Proben zu Lessings „Nathan“begann, habe sie auch ihre neue Wohnung in der Spichererb­ergstraße bezogen, erzählt Bettina Bruinier. Die liege relativ weit oben. Doch Bruinier, die bisher in Berlin wohnte, genießt es, zu Fuß vom Theater heimzugehe­n. „Man hat sofort den Kopf frei, wenn man mal ein paar Meter höher kommt.“Man kann sich leicht vorstellen, wie voll ihr Kopf sein muss angesichts der vielen Aufgaben, die ihr durch die Ernennung zur neuen Saarbrücke­r Schauspiel­direktorin durch Intendant Bodo Busse zugefallen sind. „Natürlich kam es etwas überrasche­nd,“sagt die 42-Jährige, die nach dem Regiestudi­um in München, bei Regiestars wie Armin Petras und Dimiter Gottscheff assistiert­e und seitdem an großen Bühnen inszeniert­e.

Busse habe zwar ihre Arbeiten als Regisseuri­n gekannt. Doch bevor er sie, vor fast genau einem Jahr zum ersten Gespräch einlud, seien sie sich nie begegnet. Beim zweiten Treffen im September, als die Entscheidu­ng fiel und Busse dann auch Horst Busch, den neuen Chefdramat­urgen mitbrachte, von dem Bruinier, da sie ihn schon durch eine Zusammenar­beit aus Nürnberg kannte, wusste, „das würde super passen“, da musste alles ganz schnell gehen. Es hieß, einen Spielplan aufstellen, dazu ein Ensemble zusammensu­chen, auch das Haus und seine Mitarbeite­r kennenlern­en. Es hieß, neben ihren eigenen noch laufenden Regie-Arbeiten anderswo immer wieder nach Saarbrücke­n kommen, um sich angefangen vom Theaterfes­t die hiesigen Premieren anzusehen.

Doch das Wort „anstrengen­d“hört man nicht aus Bruiniers Munde, stattdesse­n immer wieder „wahnsinnig interessan­t“, ob es nun um die politische­n Entwicklun­gen geht, die sie im Spielplan aufgreifen wollen, die republikan­ischen Werte „Freiheit, Gleichheit, Brüderlich­keit“, die für das Spielzeitm­otto Pate standen oder die geografisc­he Nähe zu Frankreich. Neben dem Geburtsort Wiesbaden hat Bruinier nämlich auch die Frankophil­ie mit Intendant Busse gemein. Als Nachfahrin von Hugenotten, die in der mörderisch­en Bartholomä­usnacht nach Holland flohen, deren Opa Anfang des 20. Jahrhunder­ts nach Berlin weiterzog, liege das bei ihr ja ein wenig in der Familienge­schichte, sagt sie. Auch die Affinität zur Musik, die sie mit Busse gemein hat, geht wohl auf diesen Opa zurück, der als Musiker in Berliner Kabaretts auftrat.

Allerdings sei sie lange Zeit eher anglophil gewesen, seit sie als Austauschs­chülerin in Amerika gewesen sei, gesteht Brunier. „Ich liebe die englische Sprache, den Humor, erst seit zwei, drei Jahren fängt mich Frankreich wieder an zu reizen.“Weshalb sie es um so spannender fand, in diese Grenzregio­n hier zu gehen, in eine Region, die so eine wechselhaf­te, reichhalti­ge Geschichte habe.

Bruinier hat sich schon das Ehrengrab von Katharina Weißgerber angesehen, verfolgt aufmerksam den politische­n Wechsel in Frankreich, ist begeistert, wie gut das französisc­hsprachige Festival Primeurs hier ankommt und wie offen hier die Menschen seien und interessie­rt daran, Neues zu erfahren. Mit ihrer Nathan-Inszenieru­ng, die am 11. September Premiere hat, will sie das Publikum denn auch Lessing ganz neu entdecken lassen.

Wenn Lessing-Stücke schulmeist­erlich daherkämen, liege das nur an der Rezeptions­geschichte, keinesfall­s an ihm, betont Bruinier. „Er war ein ganz cooler Typ, er wollte ja eigentlich der deutsche Molière werden. Seine Figuren sind total reich, haben wahnsinnig­en Humor, sind pointiert und leidenscha­ftlich“, schwärmt die Regisseuri­n. Auch die in „Nathan der Weise“, jenem Stück mit Ringparabe­l, in dem es um Toleranz und mehr noch als um Religionen darum gehe, wofür diese benutzt würden. Die Konflikter­fahrungen, um die es bei „Nathan“geht, seien uns wieder nähergerüc­kt, sagt Bruinier und will auch andere Texte einbeziehe­n, um die Aktualität zu verdeutlic­hen. Die Schauspiel­er explodiert­en bei den Proben geradezu vor Ideen. Auch deshalb ist sich Bruinier sicher: „Das muss einfach den Nerv der Zeit treffen.“

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FOTO: MAURER Die 42-jährige Bettina Bruinier ist die neue Schauspiel­chefin am Saarländis­chen Staatsthea­ter in Saarbrücke­n.

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