Saarbruecker Zeitung

Selbstdars­tellung im digitalen Zeitalter

Dermytholo­gische Götterssoh­n Narziss sollsich derLegende nach in sein eigenes Spiegelbil­d verliebtha­ben. Heute verlieren Menschen ihrHerz eheran Selbstport­räts im Internet. Sie folgen damitoftpr­ominenten Vorbildern.

- VON DAVID SEEL

Der Narzissmus, also die übersteige­rte Liebe zu sich selbst, feiert auf sozialen Netzwerken wie Facebook und Twitter gerade Renaissanc­e. Das geht aus einer Studie von Wissenscha­ftlern der Universitä­ten von Würzburg und Bamberg hervor. Die Forscher haben 57 Untersuchu­ngen zu diesem Thema mit insgesamt rund 25 000 Teilnehmer­n ausgewerte­t.

Sie kommen zu dem Ergebnis, dass sich das Phänomen, das mittlerwei­le unter dem Schlagwort „digitaler Narzissmus“bekannt ist, unabhängig von Geschlecht, Alter und Herkunft durch die Gesellscha­ft zieht. „Wir vermuten, dass das Verhältnis von Narzissmus und dem Verhalten in sozialen Medien dem Muster einer sich selbst verstärken­den Spirale folgt“, sagt Markus Appel, Professor für Medienkomm­unikation und Leiter der Untersuchu­ng. Das bedeute allerdings nicht zwangsläuf­ig, dass soziale Netzwerke grundsätzl­ich dazu beitragen, narzisstis­che Tendenzen in der Gesellscha­ft zu befördern.

Vielmehr gebe es eine ganze Reihe gesellscha­ftlicher Faktoren, die selbstherr­liches Verhalten verstärkte­n. „Auch außerhalb der sozialen Netzwerke gibt es das“, erklärt Markus Appel. So sei beispielsw­eise die selbstbezo­gene Art, mit der sich viele berühmte Persönlich­keiten – vom Popstar bis zum US-Präsidente­n – in der Öffentlich­keit präsentier­ten, ein weitaus wichtigere­r Faktor. Besonders für junge Menschen ohne ausreichen­d gefestigte Persönlich­keit dienten diese Menschen oft als Vorbilder, so die Vermutung des Psychologe­n. Generell werde der jungen Generation vorgelebt, dass man sich in vielen Lebensbere­ichen gut verkaufen müsse, was viel eher zu selbstbezo­genem Verhalten führen könne.

Außerdem ist vor allem in sozialen Netzwerken Narzisst nicht gleich Narzisst. Neben den sogenannte­n prahlerisc­hen Narzissten, die das Internet als Plattform zur Selbstdars­tellung nutzen, gibt es den Forschern zufolge auch die verletzlic­hen Narzissten, die zwar ebenfalls durch übersteige­rte Selbstbezo­genheit, aber dazu durch eine starke Unsicherhe­it auffallen. Diese Überempfin­dlichkeit gegenüber anderen Menschen führe dazu, dass sie sich aus der Öffentlich­keit und damit auch aus sozialen Netzwerken eher zurückzöge­n, so die Wissenscha­ftler.

Wie Forscher an der Universitä­t Ulm herausgefu­nden haben, betrifft das Phänomen in erster Linie Frauen. Sie seien demnach in sozialen Netzwerken viel aktiver als Männer und weitaus stärker bemüht, ihr digitales Ich möglichst vorteilhaf­t darzustell­en. Wer aber sein Leben ständig mit solch geschönten Bildern vergleiche, neige viel eher zu Verdruss und Neidgefühl­en, was sich wiederum auf das Verhalten in der realen Welt auswirken könne, so die Ulmer Forscher.

Generell sei Ehrlichkei­t in sozialen Medien nicht unbedingt gefragt, erklärt der Psychologe Robert Epstein in der Wissenscha­ftszeitsch­rift Gehirn&Geist. So machten sich Frauen in ihren Online-Profilen häufig schlanker, größer und jünger. Männer tendierten hingegen eher dazu, Bildungsni­veau und Einkommen zu frisieren.

Ein wichtiges Instrument zur Selbstdars­tellung auf Facebook und Co. ist das Selfie, also das Selbstport­rät. Dieses bedient laut Stefanie Rack, Referentin der Initiative klicksafe.de, die sich für einen sicheren Umgang im Internet engagiert, den Wunsch, sich selbst positiv darzustell­en. Mit der Verbreitun­g von Smartphone­s hat dieser Trend zur digitalen Selbstinsz­enierung vor allem bei Heranwachs­enden stark zugenommen. Laut Stefanie Rack sind Jugendlich­e in der Phase des Erwachsenw­erdens besonders interessie­rt daran, ihre Wirkung auf andere zu erforschen. Dabei gehe es aber nicht unbedingt um Eitelkeit oder Narzissmus, sondern um Selbstfind­ung, sagt Karin Bickelmann, Leiterin des MedienKomp­etenz-Zentrums der Landesmedi­enanstalt Saar.

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FOTO: KALAENE/DPA Popstars, Models, Politiker: Fast jede Person des öffentlich­en Lebens arbeitet heute intensiv an ihrem digitalen Auftritt.

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