Mehr Saarländer flüchten nach Unfall
Das Phänomen der Fahrerflucht nimmt zu, aber die Datenlage ist kompliziert und die Dunkelziffer hoch.
(ine) Die Fälle von Unfallflucht haben im Saarland seit 2014 stetig zugenommen. Laut Verkehrsunfallstatistik der Polizei gab es allein im vergangenen Jahr 8470 registrierte Fluchtdelikte. Das waren 257 Fälle oder 3,1 Prozent mehr als 2015 (insgesamt 8213 Delikte) und 679 oder 8,7 Prozent mehr als 2014 (7791 Fälle). Nach Angaben der Polizei handelte es sich dabei meist um Bagatellschäden.
(dpa) Außenspiegel ab, Kratzer in der Tür, Rücklicht kaputt. Der Schaden am Auto ist meist eher klein, der Ärger aber umso größer, wenn sich der Schuldige aus dem Staub macht. Unfälle mit Fahrerflucht sind längst ein Massendelikt, ein Dauerproblem und nehmen aus Sicht mancher Polizeipräsidien sogar zu. Die Bandbreite dabei ist riesig: Kleinere Blechschäden machen den Löwenanteil der Fahrerflucht-Unfälle aus, mit denen es die Polizei zu tun hat. Sehr viel seltener – aber umso tragischer – sind Unfälle, bei denen der Verursacher Verletzte oder gar Tote zurücklässt.
Während nach Angaben des Statistischen Bundesamtes die Zahl schwerer Unfälle mit Sachschaden in den letzten mehr als 25 Jahren deutschlandweit drastisch gesunken ist, steigt der Anteil der Unfallflüchtigen. So zählten die Statistiker 1991 rund 440 000 dieser schwerwiegenden Unfälle mit Sachschaden. Unfallflucht spielte in 8,3 Prozent dieser Fälle eine Rolle. Im vergangenen Jahr waren es nur noch gut 130 000 Unfälle dieser Art, in 10,6 Prozent der Fälle aber verschwand einer der Beteiligten. Bei Unfällen mit Fahrerflucht, bei denen jemand verletzt oder gar getötet wurde, blieb die Quote der Flüchtigen konstant bei 4,5 Prozent. Zahlen für alle Unfälle mit Fahrerflucht deutschlandweit gibt es schlichtweg nicht, das sagen auch Bundesverkehrsministerium, der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) oder der Auto Club Europa (ACE). Schon gar nicht solche, die gleichzeitig auch das gestiegene Verkehrsaufkommen berücksichtigen.
Allerdings führen viele Polizeipräsidien eigene Statistiken, die eine teils deutliche Sprache sprechen. So verzeichneten die Berliner Behörden im vergangenen Jahr 140 000 Unfälle – rund 32 000 mal machte sich der Verursacher aus dem Staub. In Stadt und Landkreis München flüchteten die Fahrer bei einem Viertel der Unfälle. 80 Prozent davon geschehen beim Ein- oder Ausparken, im „ruhenden Verkehr“, erzählt Peter Rieger, Polizeihauptkommissar in Karlsruhe und seit 1991 für Unfallermittlungen zuständig.
Vor drei Jahren hatte der ACE die Angaben von Polizeibehörden verschiedener Bundesländer ausgewertet und schätzte die Zahl angezeigter Fluchtdelikte auf jährlich rund 500 000 – ohne Dunkelziffer, denn längst nicht jeder Kratzer wird angezeigt. „Hat ja keinen Sinn, die Polizei findet die Leute ja doch nicht“, sagt etwa ein 53-Jähriger, der seit 35 Jahren Auto fährt und mindestens sieben Mal Opfer von Unfallflucht war. Er fährt dann den Wagen in die Werkstatt. „Haken dran“, sagt er, „so ist der Aufwand am geringsten.“Tatsächlich ist die Aufklärungsquote bescheiden, vor allem bei kleinen Blechschäden. Je nach Region oder Bundesland schwankt sie zwischen 20 und knapp unter 50 Prozent. Meist gibt es wenig Spuren und mangels Verhältnismäßigkeit dann wenig Bereitschaft vom Staatsanwalt, etwa ein Gutachten zu beantragen, erläutern Unfallermittlungsbeamte.
Keinen Spaß verstehen Polizei und Staatsanwaltschaft aber, wenn Menschen schwer zu Schaden kommen oder gar sterben. „Ich kann mich an keinen Fall der letzten 20 Jahre erinnern, der da nicht aufgeklärt worden wäre“, sagt Rieger. Diese Unfälle sind glücklicherweise selten. Etwa 95 Prozent aller Fahrerfluchten sind Blechschäden, so schätzte der ACE im Jahr 2014. Dass Autofahrer schlicht nicht mitbekommen, dass sie ein Auto beschädigt haben, nimmt Rieger ihnen nicht recht ab. „Man staunt ganz schön über den Knall, den ein abgefahrener Seitenspiegel macht“, sagt er. Das hätten entsprechende Versuche ergeben.
Meist seien die Fahrer schlicht zu bequem, einen von ihnen verursachten Bagatellschaden zu melden. „Die wenigsten haben eine Art Motiv wie „Trunkenheit“oder „unversichertes Auto““, sagt er. Dafür jede Menge Ausreden, warum sie das fatale Schürfgeräusch der schrammenden Tür oder das Splittern des Rücklichtes nicht gehört haben wollen: „Der Sprudelkasten hat geklirrt, das Radio war an, mein Auto klappert sowieso“, zählt Rieger auf. „Es gibt nichts, was es nicht gibt.“Unter den Fahrerflüchtigen sind dann gerne auch solche, die es eigentlich qua Amtes besser wissen müssten: „Von ranghohem Polizeibeamten bis Bundesrichter war schon alles dabei.“