Saarbruecker Zeitung

Trauer um Filmstar Jeanne Moreau

Jeanne Moreau ist im Alter von 89 Jahren gestorben. Ihr Film „Jules und Jim“über eine Dreiecksbe­ziehung ist unvergesse­n.

- VON CHRISTINE LONGIN

Sie passte in kein Schema. Jeanne Moreau, die mit einer unnachahml­ichen Stimme und unbändigem Schauspiel­talent zu Weltruhm kam, ist gestern im Alter von 89 Jahren gestorben. „Ihre Stärke lag darin, nie da zu sein, wo man sie erwartete. Sie entzog sich den Kategorien, in die man sie zu schnell pressen wollte“, schrieb Präsident Emmanuel Macron zu ihrem Tod. „Immer Rebellin gegen die festgelegt­e Ordnung und die Routine.“

Als Jugendlich­e rebelliert­e Moreau gegen ihren Vater, einen Restaurant­besitzer, der gegen ihre Schauspiel­ausbildung war. Doch der Mann, der in ihren Worten „von Eltern des 19. Jahrhunder­ts“erzogen wurde, konnte der einzigen Tochter nichts verbieten. Erst durch ein Foto in der Zeitung „France-Soir“erfuhr er vom Erfolg der damals 20-Jährigen bei der renommiert­en Comédie Française und jagte sie dann aus dem Haus. In der Welt ihrer Kindheit im Pariser Stadtteil Montmartre, wo ihre Mutter als Tänzerin arbeitete, war es ihr Onkel gewesen, der Moreau die Literatur näher brachte. „Das Lesen war meine Droge und meine Freiheit“, sagte sie 2012 der Zeitschrif­t „Figaro Madame“. „Ich spürte schon immer eine Faszinatio­n für die Wörter, die Art und Weise sie auszusprec­hen, die genaue Betonung und die Wortwahl.“Ihre Pariser Wohnung, in der sie am Montagmorg­en ihre Putzfrau tot auffand, war angefüllt mit den Werken von Walter Benjamin, Guillaume Apollinair­e und James Joyce.

In mehr als 60 Theaterstü­cken wirkte die Frau mit den dunklen Augen mit. Ihre wahre Karriere aber begann 1949, als sie sich mit dem Film „Dernier Amour“dem Kino zuwandte. 130 Filme folgten, gedreht mit den größten Regisseure­n wie Michelange­lo Antonioni, Rainer Werner Fassbinder, Luis Buñuel, Orson Welles, Jean-Luc Godard und Louis Malle, mit dem sie 1957 in „Fahrstuhl zum Schafott“zusammenar­beitete. Die Art und Weise, wie sie als untreue Ehefrau mit ihrem herausford­ernden Gang zur Musik von Miles Davis durch Paris irrte, begründete den Ruf von „La Moreau“als Sexsymbol. Mit Louis Malle, dessen Partnerin sie wurde, drehte sie ein Jahr später „Die Liebenden“, einen wegen seiner freizügige­n Szenen heftig kritisiert­en Film. Mit dem Werk endete ihre Beziehung zu Malle, doch „ich hatte eine körperlich­e Freiheit entdeckt, die mir auch den Weg zu einer inneren Freiheit öffnete“, sagte sie in einem Interview. Diese neue Freiheit lebte sie danach in dem Film aus, der sie zur Legende machte: „Jules und Jim“, die Geschichte einer Frau zwischen zwei Männern unter der Regie von François Truffaut. Die Rolle der Catherine, die sowohl Jules als auch Jim liebt, war Moreau wie auf den Leib geschriebe­n. Verkörpert­e sie doch eine unabhängig­e Frau, die auch in der Liebe keine Tabus kennt.

Im Laufe ihres Lebens hatte sie viele Liebschaft­en mit bekannten Persönlich­keiten wie Georges Moustaki, Pierre Cardin und Marcello Mastroiann­i. „Ich habe viele Männer verführt“, bekannte die Diva, die sich dem Wirbel des Lebens vorbehaltl­os hingab.

Mit dem französisc­hen Filmpreis César wurde sie ausgezeich­net, mit einem Ehren-Oscar, einem Goldener Bären und der Goldenen Palme. Doch die Diva gab nicht viel auf die Auszeichnu­ngen. „Ich bin Schauspiel­erin geworden wie man einer Religion angehört: mit derselben Berufung, der völligen Selbstlosi­gkeit und dem Wunsch, etwas weiterzuge­ben“, sagte sie der Zeitung „Libération“.

Die Neugier, mit der Moreau als junge Frau ungewöhnli­che und herausford­ernde Rollen übernahm, blieb ihr bis ins hohe Alter erhalten. „Jeanette“wie sie wegen ihrer kleinen, schlanken Statur genannt wurde, hatte keine Scheu vor Menschen. „Man sagt immer, dass die Leute, wenn sie älter werden, immer stärker in sich selbst verschloss­en sind und härter werden“, sagte sie in einem ihrer letzten Interviews. „Bei mir wird die Oberfläche mit der Zeit immer dünner.“

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FOTO: IMAGO Jeanne Moreau, die Unvergleic­hliche.
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FOTO: IMAGO Moreau und Jean-Paul Belmondo 1963. Gemeinsam drehten sie 1960, nach einem Roman von Marguerite Duras, den Film „Stunden voller Zärtlichke­it“über eine Affäre einer Industriel­lengattin und eines Fabrikarbe­iters.
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FOTO: LEDRU/AKG-IMAGES 1975 bei den Dreharbeit­en zu dem Film „Lumiere“, bei dem sie auch Regie führte.
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FOTO: IMAGO Moreau im Alter: 130 Filme drehte sie, in über 60 Theaterstü­cken stand sie auf der Bühne.

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