Saarbruecker Zeitung

Fahrverbot­e sind noch nicht vom Tisch

Können die Autobauer aufatmen? Der Entwurf für den Diesel-Gipfel enthält keine Umrüstungs­pflicht. Dennoch soll die Industrie für bessere Luft sorgen.

- VON WERNER KOLHOFF Produktion dieser Seite: Fatima Abbas Gerrit Dauelsberg

Die deutschen Autokonzer­ne kommen vorerst um eine teure Umrüstung von Diesel-Fahrzeugen herum, müssen sich aber verpflicht­en, den Stickoxid-Ausstoß deutlich zu verringern. Wie, das bleibt weitgehend ihnen überlassen. Das geht aus dem Entwurf einer Abschlusse­rklärung für den heutigen Diesel-Gipfel in Berlin hervor, den die Bundesregi­erung den Hersteller­n vorgelegt hat.

Dem Papier, das der SZ vorliegt, ist zu entnehmen, dass die Unternehme­n eine Millionenz­ahl von Dieselauto­s per „Optimierun­g“auf ihre Kosten sauberer machen sollen. Damit ist das so genannte Software-Update gemeint. Dafür haben sie bis Ende 2018 Zeit. Wie viele Millionen Autos einbezogen werden und um wie viel Prozent die Schadstoff­e sinken sollen, war gestern noch offen. Darüber wird heute verhandelt. Neue Euro-6-Autos müssen zudem in allen Fahrsituat­ionen die Werte einhalten; das Kraftfahrt-Bundesamt bekommt dafür zusätzlich­e Prüfbefugn­isse.

Die angeordnet­e Nachrüstun­g von 2,5 Millionen Diesel-Fahrzeugen von VW ist hier nicht berücksich­tigt, sie kommt dazu. SPD-Generalsek­retär Hubertus Heil äußerte gestern die Erwartung, dass der Ausstoß der Euro-5- und Euro-6-Flotte um mindestens 30 Prozent sinken müsse; das Umweltbund­esamt hatte die Zahl von 50 Prozent genannt, um Fahrverbot­e vermeiden zu können. Die Maßnahmen dürfen laut Beschlusse­ntwurf aber weder Verbrauch noch Motorleist­ung noch Geräusche negativ verändern. Die Hersteller müssten zudem die Gewährleis­tung für alle Bauteile übernehmen, die dadurch eventuell zusätzlich beanspruch­t würden. Ein neuer „Verbrauche­rbeirat“beim Kraftfahrt-Bundesamt soll dafür als Beschwerde­instanz fungieren.

Die weit teurere und von der Industrie abgelehnte Umrüstung von Fahrzeugen mit zusätzlich­er Reinigungs­technik wird nicht explizit verlangt. Jedoch heißt es, die Entwicklun­g „technisch leistbarer sowie wirtschaft­licher Konzepte“dafür sei „geboten und gefordert“. Eine Garantie, dass es keine Fahrverbot­e gibt, bekommen die Hersteller nicht.

Sie sollen sich vielmehr, „um Fahrverbot­e zu vermeiden“, mit einem „starken Beitrag“an einem Bund-Länder-Fonds „Nachhaltig­e Mobilität“beteiligen, der in den 28 am meisten von Stickoxid betroffene­n Städten für eine Verbesseru­ng der Luft sorgen soll. Die Summe ist auch hier noch offen; Heil nannte einen Gesamtbetr­ag von 500 Millionen Euro.

Kaufanreiz­e für moderne Diesel gibt es laut dem Papier nicht, wohl aber verspricht die Bundesregi­erung eine Aufstockun­g von Förderprog­rammen für E-Busse, abgasarme städtische Nutzfahrze­uge und E-Taxis, den Ausbau der Ladeinfras­truktur für Elektroaut­os und mehr Geld für Radschnell­wege. Über die mittel- und langfristi­ge Entwicklun­g des Verkehrs und Möglichkei­ten zur Emissionsm­inderung soll in vier Arbeitsgru­ppen weiterverh­andelt werden. Das Papier spart nicht mit Kritik an den Hersteller­n und erwähnt auch die jüngsten Vorwürfe wegen Kartellabs­prachen. „Gefordert ist eine neue Verantwort­ungskultur der Automobili­ndustrie“, heißt es in dem Text.

An dem Gipfel nehmen neben vier Ministern und Vertretern der Industrie sowie der Gewerkscha­ften auch einige Ministerpr­äsidenten der Länder teil. Am Rande des Treffens im Berliner Verkehrsmi­nisterium sind bereits zahlreiche Aktionen von Umweltgrup­pen angekündig­t. Sie fordern wie der Verkehrscl­ub Deutschlan­d oder die Deutsche Umwelthilf­e zumeist die komplette Umrüstung aller Diesel-Fahrzeuge auf Euro-6-Niveau und die Einführung einer Blauen Plakette, um Fahrverbot­e gegen alle anderen verhängen zu können.

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FOTO: MAURER/DPA Porsche Cayenne Diesel: Wegen illegaler Software hat der Bundesverk­ehrsminist­er ein Zulassungs­verbot für das Modell verhängt.

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