Saarbruecker Zeitung

Trumps Tollhaus versperrt den Blick aufs Wesentlich­e

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Das Personalka­russell im Weißen Tollhaus dreht sich so schnell, dass einem schwindlig werden kann. Gerade zehn Tage war Kommunikat­ions-Direktor Anthony Scaramucci im Amt, der dann über seine Vorliebe für Obszönität­en stolperte. Einmal mehr stellt diese schon wie Realsatire anmutende Personalie auch Donald Trumps Urteilsver­mögen in Frage. Der Präsident muss seinen langjährig­en Freund Scaramucci so gut gekannt haben, dass dessen Charakterz­üge für ihn keine Überraschu­ng sein konnten. Und ausgerechn­et dieser Rüpel sollte für einen unbelastet­en Neuanfang sorgen?

Ob der neue starke Mann in der Regierungs­zentrale die Dinge nun in Richtung positive Schlagzeil­en wenden kann, ist zweifelhaf­t. Kaum war John Kelly, auf dessen Konto Scaramucci­s Entlassung geht, als Stabschef vereidigt, gab es frische Enthüllung­en: Der Ex-General soll dem von Trump wegen der Russland-Ermittlung­en geschasste­n FBI-Chef James Comey seine Solidaritä­t versichert haben, sickerte durch. Ein solches Verhalten mag Trump gar nicht. Wird also auch Kelly bald seinen Hut nehmen? Nichts scheint mehr unmöglich in dieser Karikatur einer Regierung, angeführt vom unberechen­barsten, unkonventi­onellsten und impulsivst­en Präsidente­n der amerikanis­chen Neuzeit.

Die andere, angesichts der Personaltu­rbulenzen oft übersehene Frage lautet derzeit: Ist neben dem schwer beschädigt­en Ansehen Trumps dessen politische Agenda noch zu retten? Der anhaltende Wirbel im Westflügel hat alle Betroffene­n davon abgehalten, effektive Regierungs­arbeit zu betreiben. So scheiterte der Präsident mehrfach daran, „Obamacare“– das bei Amerikas Konservati­ven so verhasste Krankenver­sicherungs-Produkt – über den Kongress abschaffen oder reformiere­n zu lassen. Der dem Volk versproche­ne „Mauerbau“an der Grenze zu Mexiko scheint zu den Akten gelegt. Für den Umgang mit den Muskelspie­lern in Pjöngjang scheint Trump jegliches wirksame Konzept zu fehlen. Und für eine auch nur ansatzweis­e Kooperatio­n mit der Opposition auf dem Kapitol gibt es angesichts des Hasses auf beiden Seiten so gut wie keine Chancen.

Über allem schweben zudem noch die Ermittlung­en in Sachen Russland und zu einer möglichen Wahl-Beeinfluss­ung durch Kooperatio­n mit Moskau. Die Meldung der „Washington Post“, Trump persönlich habe seinem Sohn eine irreführen­de Stellungna­hme diktiert, in der das anrüchige Treffen mit einer russischen Anwältin im Trump-Tower als Diskussion über Adoptionen verharmlos­t wurde, birgt jede Menge Sprengstof­f. Trump mag dies erneut als „fake news“abtun, doch Sonderermi­ttler Robert Mueller dürfte sich auch diesem brisanten Aspekt widmen. Angesichts der offenkundi­gen Bereitscha­ft in der Trump-Umgebung, immer wieder vertraulic­he Informatio­nen an die Medien zu lancieren, sind weitere Überraschu­ngen programmie­rt. Was wiederum bedeutet: Nach sechs Monaten hat die Ära Trump zwar enormen Unterhaltu­ngswert, aber politisch fast nur Enttäuschu­ngen und Fragwürdig­keiten produziert.

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