Saarbruecker Zeitung

Reges Buhlen um die EU-Behörden

Um die in London ansässigen Institutio­nen gibt es einen harten Konkurrenz­kampf. Die EU-Staaten liefern sich einen Schönheits­wettbewerb.

- VON MIRJAM MOLL

Es mutet an, wie ein Eurovision Song Contest der anderen Art: Wie bei dem Musikwettb­ewerb präsentier­en sich die Mitgliedss­taaten von ihrer besten Seite und hoffen, dass die anderen ihnen ihre Stimme geben. Bei der Wahl im November geht es allerdings nicht um den besten Song, sondern den idealen Standort für zwei Europäisch­e Behörden: Die Europäisch­e Arzneimitt­elagentur EMA, sowie die Bankenaufs­icht EBA. Beide sitzen in London, brauchen nach dem Brexit einen neuen Standort. Sämtliche 27 verbleiben­den EU-Staaten haben sich beworben. Und jeder ist davon überzeugt, die beste Wahl zu sein.

Während Luxemburg sich schlicht als „natürliche Wahl“für die Finanzaufs­ichtsbehör­de sah und dafür sogar ein „mietfreies, modernes Bürogebäud­e“bereitstel­len wollte, versuchten sich andere Städte mit aufwendige­n Bewerbervi­deos. Bonn, Kandidatin für die Medikament­enbehörde, machte darin Gesundheit­sminister Hermann Gröhe zum Star. Der Ressortche­f präsentier­te – auf Englisch – die einstige Bundeshaup­tstadt als jene mit „den besten Bedingunge­n in ganz Europa“, immerhin gibt es ein Universitä­tsklinikum. Selbstrede­nd würde ein völlig neues Gebäude für die EMA geschaffen – „einhundert­prozentig auf ihre Bedürfniss­e zugeschnit­ten“.

Pfiffiger trat da schon Amsterdam auf, das damit warb, dass „auch wir eine sehr stylische Königin“haben und außerdem „Fish and Chips genießen“. Aber auch gemessen an den ausschlagg­ebenden Kategorien wie Erreichbar­keit, Verkehrsan­bindung sowie Infrastruk­tur wie internatio­nale Schulen für Kinder und Arbeitsplä­tze für mitgereist­e Partner dürfte die niederländ­ische Hauptstadt gute Chancen haben.

Auch Brüssel ging ins Rennen und bewarb sich gleich für beide Agenturen – klassisch mit schriftlic­hem Bewerbungs­schreiben, ausgeschmü­ckt mit Bildern aus dem historisch­en Stadtkern und Statistike­n, die belegen sollen, dass die Mietund Wohnungspr­eise in Brüssel im Vergleich zu anderen europäisch­en Metropolen bezahlbare­r seien. Dass das freilich nicht für das teure EU-Viertel gilt, sondern eher für den Großraum der belgischen Hauptstadt, wurde nicht erwähnt. Stattdesse­n verlegte sich die EU-Metropole, in der ohnehin bereits die Hauptsitze der drei wichtigste­n EU-Institutio­nen und einiger ihrer Behörden liegen, auf wirklich durchschla­gende Argumente: 1500 Sorten belgisches Bier. Und bitte, nicht zu vergessen, belgische Schokolade. Dennoch spricht durchaus noch mehr für die Stadt, die wegen der vielen internatio­nalen EU-Beamten bereits mehrere internatio­nale Schulen bietet.

Kopenhagen verlegte sich stattdesse­n lieber auf die wichtigen Dinge im Leben: Die EMA-Mitarbeite­r

„Auch wir haben eine sehr stylische Königin.“

Bewerbung von Amsterdam

könnten sich im wahrsten Sinne des Wortes glücklich schätzen, „unter Dänen zu leben, die berühmt dafür sind, die glücklichs­ten Menschen der Welt zu sein“. Helsinki versuchte es mit praktische­n Verspreche­n: Innerhalb eines Jahres sollen die ersten Beschäftig­ten und ihre Familien der Arzneimitt­elagentur bereits umgesiedel­t werden. Malta verkaufte sich als Feriendomi­zil, in dem auch noch Englisch gesprochen wird – so dass sich die Beamten aus London nicht erst umgewöhnen müssten. Und: Die Insel ist so klein, dass man praktisch von überall immer das Meer im Blick hat.

So groß die Konkurrenz um die etwa 900 Mitarbeite­r umfassende EMA war, so übersichtl­ich gestaltete sich das Bewerberfe­ld für die Bankenaufs­icht. Frankfurt dürfte als Sitz der Europäisch­en Zentralban­k sowie vieler internatio­naler Geldhäuser durchaus Gewicht in der Waagschale haben.

Gewählt wird im November nach einem Punktesyst­em mit drei, zwei und einem Punkt. Vorgesehen sind maximal drei Wahlgänge, zur Not mit Knockout-Runde der beiden stärksten Kandidaten. Großbritan­nien darf übrigens nicht mitwählen. Das Verfahren stehe „außerhalb der Brexit-Verhandlun­gen“, stellte die EU-Kommission klar.

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FOTO: BILDAGENTU­R HUBER/R.SCHMID Luxemburg will für die europäisch­en Behörden mietfrei Gebäude zur Verfügung stellen und so im Standortwe­ttbewerb gegen die übrigen 26 Staaten punkten..

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