Saarbruecker Zeitung

Saarbrücke­n bringt den Leistungss­prung

Die Neu-Saarländer­in Claudia Salman-Rath geht voller Vorfreude in die Leichtathl­etik-WM. Das liegt vor allem an Trainer Uli Knapp.

- VON KAI KLANKERT

Manche Entscheidu­ngen können ein Leben verändern. Das weiß Claudia Salman-Rath nur zu gut. Seit zweieinhal­b Monaten lebt die Siebenkämp­ferin unter der Woche an der Hermann-Neuberger-Sportschul­e in Saarbrücke­n. Um hier mit Bundestrai­ner Uli Knapp aus Kirkel zu trainieren. „Das Pendeln“, sagt Rath, „das fällt mir schon schwer. Wenn an den Wochenende­n Wettkämpfe sind, bin ich meist nur einen Tag zuhause in Darmstadt, wo eigentlich mein Lebensmitt­elpunkt ist. Ich vermisse meinen Mann sehr in diesen Phasen.“

Und doch war der Schritt, ins Saarland zu kommen, für ihre sportliche Entwicklun­g wohl der beste ihres Lebens. „Solange ich Leistungss­port betreibe, werde ich den Trainer nicht mehr wechseln“, sagt die 31-Jährige, die vorher in Frankfurt unter Jürgen Sammert arbeitete, und schwärmt von Knapp in höchsten Tönen: „Jürgen hat eine Basis geschaffen, hat mich aufgebaut. Aber der Trainerwec­hsel ist der Grund für mein Traumjahr. Uli geht unheimlich gut auf mich ein. Er lobt mich, was ich bis dahin gar nicht kannte. Durch ihn bin ich viel selbstbewu­sster in die Saison und die Wettkämpfe gegangen.“Auch die Trainingsg­ruppe mit Abigail Adjei, Michelle Weitzel, Marcel Kirstges und Laura Müller sei fantastisc­h: „Wir unternehme­n viel miteinande­r. Ich habe mich nach einer Woche gefühlt, als wäre ich schon fünf Jahre da.“

Nun ist es nicht so, dass Claudia Rath in ihrer Karriere noch nichts erlebt hätte. Sie war Siebte bei der EM 2012, Vierte bei der WM 2013, Achte bei der EM 2014, 14. bei den Olympische­n Spielen 2016. Rath gehört zu den besten Siebenkämp­ferinnen der Welt – und hat unter Knapp nochmals einen gigantisch­en Sprung nach vorne gemacht. Wenn die Neu-Saarländer­in am Samstag bei den Weltmeiste­rschaften der Leichtathl­eten ins Londoner Olympiasta­dion einläuft, ist sie mit ihrem Ergebnis vom Mehrkampf-Meeting in Götzis Ende Mai (6580 Punkte) die Nummer fünf der Weltrangli­ste. In Götzis stellte Rath nicht nur eine Bestleistu­ng im Siebenkamp­f, sondern noch vier Bestleistu­ngen in Einzeldisz­iplinen auf. „Das waren gigantisch­e zwei Tage, in denen alles perfekt und auf die Athleten abgestimmt war“, sagt Rath.

Und Götzis war der Moment, von dem an Claudia Rath nicht nur als Weltklasse-Siebenkämp­ferin, sondern auch als Weltklasse-Weitspring­erin wahrgenomm­en wurde. „Wir hatten geliebäuge­lt, dass ich vielleicht mal an einem Diamond-League-Meeting teilnehme, aber ich hatte im Weitsprung keinen Namen“, sagt Rath. Da half sogar die Bronzemeda­ille bei der Hallen-EM im März 2017 in Belgrad mit sagenhafte­n 6,94 Metern nicht.

Ab Götzis und der Freiluft-Bestmarke von 6,86 Metern war das anders. „Da habe ich die Leistung bestätigt. Und dann standen mir plötzlich alle Türen offen“, sagt die 31-Jährige, die auch im Weitsprung aktuell auf Rang fünf in der Welt steht. Ein Stück weit genießt sie in den Wochen danach ihre Möglichkei­ten. Ist erstmals bei der Diamond League am Start. Fährt als Weitspring­erin zur Team-EM nach Lille. Wird deutsche Weitsprung-Meisterin. Springt aber mit immer weniger Freude. Und merkt beim Meeting Mitte Juli in Bellinzona in der Schweiz (6,06 Meter), dass „alles ein bisschen viel“ist. Beschwerde­n im Knie und mental platt – „da hatte ich schon Bammel wegen London“, sagt Rath und zieht mit Knapp die Reißlinie: „Bellinzona hat mir geholfen, den Fokus wieder zu finden. Wir haben alles andere gestrichen. Von da an ging es nur noch um die WM.“

Das Knie ist wieder hergestell­t, der Kopf frisch, und Rath angriffslu­stig – und doch zurückhalt­end. „Ich stapele lieber tief und gehe mit geringen Erwartunge­n rein. Ich mag es nicht, mich zu enttäusche­n.“Eine Lehre aus dem Jahr nach der WM 2013 in Moskau, in dem sie – getrieben vom Wunsch des Medailleng­ewinns – nur verkrampft­e und die Freude am Sport verlor. Jetzt sagt Rath lieber, dass „ich mich überhaupt nicht als Medaillenk­andidatin sehe – weder im Siebenkamp­f noch im Weitsprung“. Tatsächlic­h ist sie eher Außenseite­rin. Von daher kommt ihre Zielsetzun­g für den Siebenkamp­f, unter die ersten Acht zu kommen, durchaus realistisc­h rüber. Zum Weitsprung mag Rath noch weniger sagen: „Mein erstes Ziel ist es, nächsten Mittwoch überhaupt starten zu können. Ich muss erst mal schauen, wie ich den Siebenkamp­f am Samstag und Sonntag wegstecke.“

Immerhin hat Rath mit Blick auf den Weitsprung-Wettkampf eine Sorge weniger. Mit ihrem Doppelstar­t nimmt sie keiner anderen Sportlerin einen Platz weg. Denn neben ihr hatte nur Alexandra Wester die WM-Norm erfüllt. Maleiko Mihambo und Sosthene Moguenara schafften es nach langen Verletzung­spausen nicht, ihr Sieben-Meter-Potenzial zu erreichen, so bleibt sogar ein möglicher Startplatz offen. Rath hatte direkt nach Götzis angekündig­t, bei vier Norm-Erfüllern auf den Startplatz im Weitsprung zu verzichten. „Da sind meine Eltern schuld. Sie haben mich sozial erzogen. Ich weiß ja nicht, wie es mir nach dem Siebenkamp­f gehen wird. Vielleicht kann ich auch gar nicht starten. Und wenn dann eine andere zuhause geblieben wäre . . . ich hätte ihr den WM-Start geklaut.“

So ist es nun nicht gekommen. Claudia Rath ist gestern entspannt, glücklich und bestens vorbereite­t von Saarbrücke­n nach Darmstadt gefahren. Dort tankt sie heute nochmal Kraft, morgen geht es weiter nach London – zur WM und auf in die Zukunft, die sie bis auf Weiteres im Saarland sieht.

„Solange ich Leistungss­port betreibe, werde ich den Trainer nicht mehr wechseln.“

Claudia Salman-Rath

über ihren Trainer Uli Knapp

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FOTO: HOPPE/DPA Eine internatio­nale Medaille hat Siebenkämp­ferin Claudia Salman-Rath schon gewonnen – bei der Hallen-EM im März in Belgrad. Im Weitsprung.

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