Saarbruecker Zeitung

Weniger Deutsche sterben durch Passivrauc­hen

Rauchen kann Krebs verursache­n. Passivrauc­hen ebenso. Die bundesweit­en strikten Verbote zeigen langsam Wirkung. Nicht so im Saarland.

- VON ANDRÉ KLOHN UND JANA FREIBERGER

HAMBURG/HEIDELBERG/SAARBRÜCKE­N (dpa/SZ) Dass Rauchen Krebs verursache­n kann, weiß mittlerwei­le jedes Kind. Doch auch wer nicht selbst am Glimmstäng­el zieht, atmet in der Gesellscha­ft eines Rauchers etliche Schadstoff­e ein. Viele Raucher in Deutschlan­d sind sich dieser Gesundheit­srisiken offenbar bewusst. Denn immer weniger Menschen sterben hierzuland­e wegen Passivrauc­hens an Lungenkreb­s, wie Wissenscha­ftler des Universitä­tsklinikum­s Hamburg-Eppendorf (UKE) in einer Studie belegt haben. Sie ist im „Internatio­nal Journal of Public Health“veröffentl­icht.

Diesen Trend sieht auch das Deutsche Krebsforsc­hungszentr­um in Heidelberg. „In den letzten 20 Jahren ist die Passivrauc­hbelastung in Deutschlan­d deutlich zurückgega­ngen“, sagt Krebspräve­ntions-Expertin Ute Mons. Grund dafür seien neben der immer weiter sinkenden Zahl an Rauchern die Nichtrauch­erschutzge­setze von 2007/2008. Sie waren Basis für das Rauchverbo­t in öffentlich­en Einrichtun­gen sowie in Restaurant­s.

Das Saarland hat am 1. April 2011 ein absolutes Rauchverbo­t in der Gastronomi­e eingeführt und damit neben Bayern und Nordrhein-Westfalen eines der strikteste­n Nichtrauch­erschutzge­setze im bundesweit­en Länderverg­leich verabschie­det. Einer der Initiatore­n des Rauchverbo­ts in saarländis­chen Kneipen war der Grünen-Politiker Hubert Ulrich, damals noch Fraktionsc­hef: Obwohl im Saarland ein einheitlic­hes Qualmverbo­t gilt, sieht er in einigen Punkten immer noch Verbesseru­ngsbedarf: „Trotz des Verbots wird in vielen Kneipen immer noch geraucht. In einigen saarländis­chen Kommunen fehlt es an regelmäßig­en Kontrollen. Gerade in Saarbrücke­n wird das an einigen Stellen schleifen gelassen“, sagte Ulrich der SZ. Zu den Kommunen, in denen das Verbot vorbildlic­h umgesetzt werde, gehörten seinen Angaben nach beispielsw­eise Saarlouis und Illingen. „Dort wird durchgegri­ffen“, so Ulrich. Sein großes Engagement für den Nichtrauch­erschutz rühre im Übrigen nicht daher, dass er etwas gegen Raucher habe, aber die Freiheit des Einzelnen ende nun einmal dort, wo die des anderen beginne. Er selbst habe nie geraucht, lediglich ein paar Mal gepafft.

Auch der Geschäftsf­ührer des Deutschen Hotel- und Gaststätte­nverbands (Dehoga) Saar, Frank Hohrath, fordert, dass sich alle gastronomi­schen Betriebe an das absolute Rauchverbo­t halten: „Wenn schon, dann bitte alle.“Das Gesetz sei nun einmal wie es ist, „die Uhren werden da auch nicht mehr zurückgedr­eht“, so Hohrath. Das einzige, was ihn wirklich störe, sei, dass im Allgemeine­n die Meinung kursiere, die Umstellung sei problemlos verlaufen. „Das Rauchverbo­t war der Sargnagel für viele kleine Kneipen“, merkt der Dehoga-Geschäftsf­ührer an. Die Welt sei wegen des Verbots zwar nicht zusammenge­brochen, dafür aber einige Existenzen.

Die Zahl der Saarländer, die in den vergangene­n Jahren an Lungenkreb­s gestorben sind, ist durch das Rauchverbo­t nicht zurückgega­ngen. Im Gegenteil. Nach Angaben des Gesundheit­sministeri­ums starben im Jahr 2005 durch den Krebs insgesamt 701 Menschen, 2015 stieg die Zahl auf 820. Wie viele davon Passivrauc­her waren, ist nicht bekannt.

Doch aus Sicht der Krebspräve­ntions-Expertin Mons waren die vor zehn Jahren teils hitzig diskutiert­en Verbote rückblicke­nd ein voller Erfolg. „Wir haben einen gewissen Übersprung­seffekt beobachtet: Auch zu Hause nehmen Raucher mittlerwei­le mehr Rücksicht auf Familienmi­tglieder“, sagt Mons. Diese seien deshalb seltener giftigem Rauch ausgeliefe­rt.

Forscher des Hamburger UKE haben dazu jetzt Zahlen vorgelegt. Sie verglichen Daten von 2012 über Menschen, die an Lungenkreb­s starben, mit einer Studie von 1994 mit den damals aktuellen Zahlen. „Nach unseren Schätzunge­n sind pro Jahr 167 Lungenkreb­stodesfäll­e auf Passivrauc­hen zurückzufü­hren“, sagt Studienlei­ter Heiko Becher. „Diese Zahl ist im Vergleich zum Jahr 1994 deutlich gesunken, damals waren es 400.“Im Jahr 2012 sind der Studie zufolge in Deutschlan­d rund 47 000 Menschen an Lungenkreb­s gestorben, darunter etwa 6000 Nichtrauch­er. Nach den Daten der Hamburger Wissenscha­ftler sind 7,6 Prozent der männlichen und 4,7 Prozent der weiblichen Lungenkreb­s-Todesfälle bei den Nichtrauch­ern auf Passivrauc­h zurückzufü­hren. Insgesamt seien im Jahr 2012 ein Viertel der nichtrauch­enden Frauen und etwa 40 Prozent der nichtrauch­enden Männer Passivrauc­h ausgesetzt gewesen.

„Passivrauc­hen ist vor allem in Innenräume­n ein großes Problem“, warnt Expertin Mons. Viel gefährlich­er noch als Qualm aus den Mündern der Raucher sei der sogenannte Nebenstrom­rauch, der beim Glimmen einer Zigarette entstehe. „Er enthält aufgrund der im Vergleich zum Ziehen an einer Zigarette niedrigere­n Verbrennun­gstemperat­ur deutlich mehr Schadstoff­e.“Je kleiner die Räume seien, desto schlimmer die Belastung. „Am höchsten ist sie natürlich beim Rauchen im geschlosse­nen Auto.“

Bis zu doppelt so hoch könne das Krebsrisik­o eines Passivrauc­hers sein, wenn beispielsw­eise der Partner stark rauche, sagt Mons. Zum Vergleich: Das Risiko von Rauchern, an Lungenkreb­s zu erkranken, ist etwa 20-mal so hoch wie bei Nichtrauch­ern.

Für deutlich weniger gesundheit­sschädlich hält die Forscherin E-Zigaretten. „Denn die ganzen krebserreg­enden Stoffe einer normalen Zigarette entstehen beim Verbrennen“, sagt Mons. Im Dampf einer elektrisch­en Zigarette fänden sich „so gut wie keine“dieser Gifte. Allerdings fehle es noch an entspreche­nden Langzeitst­udien. „Wir wissen noch nicht, was der Dampf langfristi­g mit der Lunge eines Rauchers macht.“Ebenfalls noch Forschungs­bedarf gibt es beim Thema Passivkons­um: „Man kann bislang nur vermuten, dass der Dampf für Nichtrauch­er weniger schädlich ist als Passivrauc­hen.“

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