Saarbruecker Zeitung

Die Partnersuc­he geht erst nach dem Urlaub weiter

- VON DETLEF DREWES

Mehr als 130 Tage haben die Parteispit­zen seit der Wahl im März verhandelt. Nun gehen sie erst einmal zwei Wochen in Urlaub. Dass die Niederland­e immer noch keine Regierung haben, scheint ein Problem zu sein, das man vertagen kann. Immerhin bleiben noch genügend Tage übrig, damit die Tradition nicht gebrochen wird. Schließlic­h will König Willem Alexander auch in diesem Jahr am dritten Dienstag im September, dem Prinzentag, mit der goldenen Kutsche vorfahren, um die „Miljoenenn­ota“, den Etat für das nächste Jahr, im Parlament zu verlesen.

Noch vor Monaten blickte Europa auf die Niederland­e, galt es doch, bei der ersten wichtigen Wahl 2017 die Rechtspopu­listen um Geert Wilders von der Macht fernzuhalt­en. Das gelang. Ministerpr­äsident Mark Rutte mit seiner rechtslibe­ralen Volksparte­i VVD eroberte 33 der 150 Sitze im Parlament. Angesichts der stark zersplitte­rten politische­n Landschaft war klar: Der Mann braucht mindestens drei Koalitions­partner. Denn die bis dahin mitregiere­nden Sozialdemo­kraten hatten einen beispiello­sen Absturz erlebt.

Rutte redete zunächst mit den Christdemo­kraten der CDA, der linksliber­alen D66 und den Grüne-Linken um ihren Shootingst­ar Jesse Klaver. Der Versuch ging daneben, vor allem wegen der unterschie­dlichen Positionen zur Flüchtling­spolitik. Während VVD und CDA für eine zumindest moderate Abschottun­g eintraten, hielt Klaver unbeirrt an seiner Willkommen­spolitik fest.

Es war nur der erste Anlauf von mehreren, der nicht zum Erfolg führte. Mal scheiterte­n die Gespräche an den geplanten Reformen des Arbeitsmar­ktes, den Rutte umbauen will, in dem er das Kündigungs­recht, den Versicheru­ngsschutz von Freiberufl­ern und die Lohnfortza­hlung im Krankheits­fall lockert. Dann wieder biss man sich am Klimaschut­z fest, weil Rechtslibe­rale und Christdemo­kraten das Pariser Klima-Abkommen eher zurückhalt­end umsetzen wollten, D66 und Grün-Linke aber ehrgeizige Schritte forderten.

Die Parteienve­rtreter stritten sich über die Migration und nicht zuletzt um die Sterbehilf­e. Die Linksliber­alen wollen sie so weit ausdehnen, dass jeder über 75-Jährige auf Wunsch sein Leben beenden kann, ob er krank ist oder nicht. Daraufhin mauerten Rechte und Christdemo­kraten. Mehrere Vermittler wurden inzwischen verschliss­en. Derzeit bemüht sich Ex-Finanzmini­ster Gerrit Zalm um einen Kompromiss. Doch auch der hatte angesichts der festgefahr­enen Fronten nichts gegen eine Ruhepause – übrigens zum ersten Mal seit langem.

Vor zwei Jahren blieb die Regierung nach dem Abschuss des Fluges MH-17 über der Ostukraine zu Hause, weil viele Landsleute an Bord waren. 2016 stellte man die Ferien wegen der aktuellen Flüchtling­slage zurück. Nun ist die Luft raus. Allzu große Eile hat auch niemand erkennen lassen, zumal die Regierungs­geschäfte ja eigentlich ganz gut laufen. Und Finanzmini­ster Jeroen Dijsselblo­em von den abgewählte­n Sozialdemo­kraten scheint ohnehin froh, dass er seinen Job als Chef der Eurogruppe weiter ausüben darf.

Woher eine arbeitsfäh­ige Koalition kommen soll? In Den Haag heißt es, alles laufe auf ein Bündnis zu, in dem sich Rechts- und Linksliber­ale sowie die Christdemo­kraten mit der „Christenun­ion“zusammentu­n. Wirklich komfortabe­l ist das nicht, weil die vier Parteien nur über ein Stimme Mehrheit im Parlament verfügen würden. Aber man könne arbeiten, heißt es. Und außerdem hätten die Politiker der Mitte ihr wichtigste­s Wahlziel erreicht: Geert Wilders wäre wieder einmal verhindert worden.

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