Saarbruecker Zeitung

Die Union probt Ernstfall an der Haustür

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BERLIN Die CDU geht im Bundestags-Wahlkampf zu den Wählern nach Hause. Dafür werden im Konrad-Adenauer-Haus Szenarien durchgespi­elt.

VON HAGEN STRAUSS Üben. Sie organisier­en den Haustürwah­lkampf, sie beantworte­n Fragen am Telefon oder online und sie planen Schulungen. Drei digitale Haustüren sind im Land unterwegs, um Parteigäng­er für den Umgang mit dem Wähler von Angesicht zu Angesicht fit zu machen. Über 5000 haben sich bereits schulen lassen. Die Mobilisier­ung ist immens.

Immer noch ist man im „Maschinenr­aum“überrascht vom Erfolg des Konzeptes. Denn neu ist der Haustürwah­lkampf nicht. Aber die Union hat ihn geschickt profession­alisiert, mit einer App für die Bewertung des Tête-à-Têtes mit dem Bürger, mit Standortan­alysen, wo das Klingeln an der Tür sinnvoll ist und wo nicht. SPD-Hochburgen gehören nicht dazu. „Das kann keiner mehr in den verbleiben­den Wochen kopieren“, schwärmt JUMann Clemens. Was freilich nicht stimmt. Die SPD verfolgt ein ganz ähnliches Konzept. Mit ganz ähnlicher Technik.

Tauber berichtet stolz, unter den CDU-Mitglieder­n sei durch die App, die auch ein Ranking enthält, ein regelrecht­er Wettbewerb entstanden. Manch einer habe 17 Besuche in einer Stunde geschafft. Dass jemandem dabei mal regelrecht „Hass“entgegensc­hlagen sei, sei eine absolute Ausnahme. Die Erfolge bei den Landtagswa­hlen im Saarland und in Nordrhein-Westfalen führt Tauber nicht nur, aber auch auf dieses Mittel zurück. Insgesamt will die CDU für ihren Wahlkampf 20 Millionen Euro ausgeben, um wieder die 40-Prozent-Marke zu knacken. Von der CSU kommen auch noch einige Millionen dazu.

Ob die Parteivors­itzende und Kanzlerin höchstpers­önlich in den Haustürwah­lkampf einsteigt? Die Frage überrascht Tauber etwas. Er antwortet: „Angela Merkel ist ganz begeistert von dem Projekt.“Aber selber irgendwo klingeln wird sie nicht. Dafür schaut sie aber ab und an in der Wahlkampfz­entrale vorbei.

Alles ist hier etwas hipper als sonst bei den Konservati­ven.

Der Wutbürger hat einen Bauch, schütteres Haar und trägt ein bräunliche­s Shirt. Dieser Mann erscheint auf der digitalen Haustür und legt gleich los: „Das ist doch alles eine Soße“, schimpft er auf die Parteien. „Hauen Sie ab!“Da gibt es für den christdemo­kratischen Wahlkämpfe­r nur noch eins: Ruhig bleiben, mit ein paar netten Worten geordnet den Rückzug antreten. So wird im Konrad-Adenauer-Haus der CDU für den Ernstfall geübt.

Allerdings ist das nur eine von mehreren Begegnunge­n der inszeniert­en Art. Denn auch freundlich und zugewandt kann man an der Bildschirm-Pforte empfangen werden – beispielsw­eise mit der Einladung einer gemütliche­n Dame zum Kuchen. Dann heißt es: Höflich ablehnen, weil man ansonsten zu viel Zeit verliert. Und natürlich daran erinnern, doch bitteschön die CDU zu wählen. Die Union glaubt zu wissen, wie man den Urnengang am 24. September erfolgreic­h stemmen kann – von Tür zu Tür. Darum dreht sich fast alles in der Wahlkampfz­entrale der Christdemo­kraten.

Wer der so wichtigen Schaltstel­le einen Besuch abstatten will, muss mit dem Fahrstuhl in die zweite Etage fahren. Dann kommt er erst einmal an Wahlplakat­en aus früheren Zeiten vorbei. Mit Helmut Kohl („Weltklasse für Deutschlan­d“), Edmund Stoiber („Zeit für Taten“) und natürlich mit Angela Merkel („Ein neuer Anfang“). Wände wurden hier beseitigt oder verrückt, Glasscheib­en eingezogen – das ist der „Maschinenr­aum“, die Einsatzzen­trale. Alles ist hier etwas hipper als sonst bei den Konservati­ven. Die Offenheit soll inspiriere­n, es gibt einige Sitzecken zum flinken Meinungsau­stausch, es gibt Sofas, viel Technik, ein kleines Fernsehstu­dio – und eine riesige Schultafel. Dann doch wie früher. Darauf kann jeder mal schnell eine kreative Idee fixieren. Eine hängt an der Wand, ein Spruch: „Cool bleiben und Kanzlerin wählen.“

Eigentlich sind es drei Zentralen in einer, die Generalsek­retär Peter Tauber in der zweiten Etage vereint hat: Ein Team der Hamburger Agentur „Jung von Matt“ist vertreten, das auf Plakaten, in Filmchen und im Netz die Kanzlerin volksnah, emotional und zugleich kampfeslus­tig erscheinen lassen soll. Hier finden auch die Gegnerbeob­achtung und die Suche nach Falschnach­richten statt, auf die man sofort reagieren muss. Dazu die Online-Redaktion und das eigentlich­e Herzstück der Wahlkampfz­entrale: „Connect17“.

So nennt sich das Unterstütz­ernetzwerk, das von der Jungen Union betrieben wird. Dahinter verbergen sich Aktivisten um Conrad Clemens, den 33-jährigen Bundesgesc­häftsführe­r der JU. Die halbe Etage hat der erst 42-jährige Tauber den jungen Leuten als digitalen Spielplatz in Start-Up-Optik eingericht­et. Samt Hausattrap­pe zum

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