Saar-Verbraucherschützer kritisieren Diesel-Update
Jürgen Zimper und Martin Nicolay von der Verbraucherzentrale halten beim Diesel ein Software-Update für unzureichend.
SAARBRÜCKEN Nach dem Diesel-Gipfel bleibt bei vielen Autofahrern die Unsicherheit. Was passiert jetzt mit den eigenen Diesel-Fahrzeugen? Was ist, wenn nach einem Software-Update die Leistung nachlässt oder sich der Verbrauch erhöht? Jürgen Zimper, Geschäftsführer der Verbraucherzentrale im Saarland, und sein designierter Nachfolger Martin Nicolay geben Ratschläge, welche Rechte Verbraucher jetzt haben.
Beim Diesel-Gipfel in Berlin ist ein Software-Update für Millionen Diesel-Fahrzeuge beschlossen worden. Ist das Thema Abgas damit vom Tisch?
NICOLAY Da bin ich sehr kritisch. Es ist doch bemerkenswert, dass die Konzerne jetzt ein so tiefgreifendes Problem wie eine nicht funktionierende Abgasreinigung jetzt mit einer Änderung der Software restlos beheben wollen, ohne etwas an der Hardware zu ändern. Das sieht für mich nach einer sehr billigen Lösung aus. Aber die Autokonzerne haben doch bei einem Mangel die Option, nachzubessern – eventuell auch mit einer Software-Änderung
NICOLAY Das ist grundsätzlich richtig. Aber im Fall VW beurteilen die Gerichte diese Lösung sehr kritisch. Es bleiben eben viele Unklarheiten, wie beispielsweise die Frage, wie effektiv das ist, wie es sich auf die Leistung und möglicherweise auch auf die Lebensdauer auswirkt.
ZIMPER Hier fordern wir von den herstellern entsprechende Garantien. Was ist, wenn Kunden gar kein Update machen wollen, weil sie anschließend einen höheren Verbrauch
befürchten?
NICOLAY Das ist schwierig: Wenn ich das Auto in diesem mangelhaften Zustand belasse, dann risikiere ich, dass mir möglicherweise die Betriebserlaubnis entzogen wird, ich also damit nicht mehr fahren darf. Wer also sein Auto weiter nutzen will, muss zwangsläufig auf einen Rückruf reagieren.
Nach dem Diesel-Gipfel war häufig vom Schaden der Verbraucher die Rede. Aber letztlich ist doch kein großer Schaden entstanden – außer natürlich bei Fahrverboten.
ZIMPER Die Schäden müssen letztlich im Einzelfall geprüft werden. Wenn ich beispielsweise Geschäftsführer eines Umweltverbandes bin und mich deshalb für ein besonders sauberes Auto entschieden habe, habe ich damit einen Image-Schaden. Viele haben aber auch einen Diesel gekauft, weil diese Autos bisher immer einen hohen Wiederverkaufswert hatten. Und der hat jetzt durch die Debatte massiv gelitten. Insofern sind schon Schäden entstanden. Richtig ist, dass diese schwer zu beziffern sind. Aber sie sind durchaus da. Das bestätigen auch Gebrauchtwagenhändler, die dem Vernehmen nach jetzt auf ihren Diesel-Autos sitzenbleiben.
Welche Möglichkeit haben jetzt Käufer, die ein Auto haben, das vom Diesel-Skandal betroffen ist?
NICOLAY Grundsätzlich gilt die zweijährige Gewährleistungsfrist. In dieser Zeit kann der Käufer den Händler als seinen Vertragspartner in Anspruch nehmen. VW hat zudem mitgeteilt, auf die Verjährungseinrede erst einmal zu verzichten. Falls die Händler dem folgen, können Ansprüche über die Zwei-Jahres-Frist hinaus verfolgt werden. Der Händler hat dann das Recht, nachzubessern oder, wenn das nicht gelingt, das Auto durch einen Neuwagen zu ersetzen, der die geforderten Eigenschaften hat.
ZIMPER Der Käufer hat ein Recht auf die Sache, die er bestellt hat. Wenn er also ein Auto gekauft hat, das einen bestimmten Verbrauch und eine bestimmte Leistungszahl haben soll, dann hat er darauf auch einen Anspruch.
Heißt das, dass ein Käufer sein Auto auch zurückgeben kann?
NICOLAY Es gibt zahlreiche Urteile, die in diese Richtung gehen. Und die es als unzumutbar bezeichnen, nur mit einem Update abgespeist zu werden. Was ist aber, wenn das Auto älter als zwei Jahre ist?
NICOLAY Dann hängt es in gewisser Weise vom der Kulanz des Händlers ab. Sie können aber auch den Hersteller selber in Haftung nehmen. In dem Fall ist die Voraussetzung eine vorsätzliche, sittenwidrige Schädigung. Da liegt dann schon das Wort Betrug in der Luft. Es gibt aber auch schon Gerichtsurteile, die beispielsweise bei VW ganz klar einen Betrug annehmen, der auch zivilrechtlichen Schadenersatzanspruch nach sich ziehen kann.
Und wie sieht es bei Gebrauchtwagen aus, die die Kunden bei einem Händler oder von Privatleuten gekauft haben?
NICOLAY Bei Gebrauchtwagen wird es schwierig. Der Gebrauchtwagenhändler wird sich bei älteren Autos wahrscheinlich auf Verjährung berufen.
ZIMPER Bei einem Privatkauf gilt gewöhnlich gekauft wie gesehen. Hier kann der Verkäufer die Haftung für einen Sachmangel also ausschließen. Außer, es gab einen Mangel, von dem der Verkäufer wusste. Dann wäre der Vertrag anfechtbar.
Beim Diesel-Gipfel waren nur
deutsche Hersteller vertreten. Die ausländischen Hersteller sagen, sie seien nicht betroffen, sie hätten ja nicht manipuliert. Kann das sein?
ZIMPER Es ist zwar schon schwer zu glauben, dass nur einige wenige die Werte manipuliert haben. Aber Fakt ist, dass formell ein Mangel festgestellt werden muss. Wenn die Hersteller sagen, dass ihre Fahrzeuge sauber sind, dann muss es erst einmal einen Gegenbeweis geben. Faktisch heißt das aber auch, dass wir eine Aufsicht brauchen, die für alle Hersteller die Werte belastbar und gerichtsfest überprüft. Das ist eine der Lehren, die wir politisch aus diesem Skandal ziehen müssen.
Bisher galten doch die Werte auf dem Prüfstand als maßgeblich?
ZIMPER Das stimmt. Aber wir haben gelernt, dass wir die Werte unter realistischen Bedingungen erheben müssen. Das Bundesumweltamt hat beispielsweise veröffentlicht, dass die Stickstoffemission bei Temperaturen von zehn Grad und kälter deutlich ansteigt. Und wenn man sieht, dass bei uns die Hälfte der Tage Temperaturen unter zehn Grad herrschen, hat das eine Relevanz. Wenn die Überprüfungen immer unter Laborbedingungen stattfinden, bei 20 Grad Celsius, hat das natürlich mit der Realität wenig zu tun.
Was raten Sie den Autoherstellern?
ZIMPER Wir brauchen in Deutschland von Seiten der Hersteller ein deutlich anderes Verhalten. Sie müssen jetzt transparent alle ihre Schritte kommunizieren. Es muss ganz klar sein, was sie genau machen. Ansonsten werden sie beim Verbraucher kein Vertrauen mehr herstellen.