Saarbruecker Zeitung

War das digitale Klassenzim­mer nur ein Bluff der Ministerin?

Fünf Milliarden Euro für digitale Bildung hat Bundesmini­sterin Johanna Wanka versproche­n. Doch jetzt droht das Projekt zu versanden. Kritik wird laut.

- VON WERNER HERPELL

(dpa) Bei Finanzmini­ster Wolfgang Schäuble sind schon viele Bittstelle­r mit teuren Wünschen abgeblitzt. Seine CDU-Kollegin Johanna Wanka wäre also nicht die erste, die beim obersten Kassenwart scheitert – sagen manche, die es derzeit nicht so gut meinen mit der Bundesbild­ungsminist­erin. Der Vorwurf: Entweder habe sich die Berliner Ressortche­fin bei der Finanzieru­ng ihrer Pläne für einen milliarden­schweren „Digitalpak­t“verspekuli­ert – oder von vornherein geblufft.

So ist die von Wanka im Oktober 2016 mit großer Geste ausgerufen­e, auf fünf Jahre angelegte Bildungsof­fensive von Bund und Ländern jetzt zum Top-Streitthem­a der Bildungspo­litik geworden. Das Programm, das Wanka im vergangene­n Herbst auch bei einem Besuch zum IT-Gipfel in Saarbrücke­n bewarb, dürfte, wenn überhaupt, ein Projekt für die nächste Wahlperiod­e sein – mit ungewissem Ausgang. Gerade erst bestätigte ein Schäuble-Sprecher, „dass in der derzeitige­n Finanzplan­ung für dieses Thema keine Vorsorge getroffen wurde. Das ist der Stand“.

Konkret geht es um die Ausstattun­g aller 40 000 Schulen in Deutschlan­d mit digitalen Endgeräten, um ihre Vernetzung, W-Lan-Verbindung­en in den Klassenräu­men und sichere Cloud-Lösungen. Dafür soll der Bund nach Wankas Wünschen fünf Milliarden Euro bereitstel­len – manche Länder haben ihren Anteil schon fest eingeplant. Zudem müssen computerko­mpetente Lehrer her für Schüler, die oft kaum etwas Sinnvolles mit ihren Smartphone­s und Laptops anstellen – die pädagogisc­he Basis wäre Ländersach­e.

Der „Digitalpak­t“-Start soll 2018 sein, die Zeit wird also knapp. Zwar hatte Wanka bereits bei der Präsentati­on ihrer Idee, mit der sie die Kultusmini­ster-Kollegen vor neun Monaten freundlich lächelnd überrumpel­te, von einer Umsetzung erst nach der Bundestags­wahl gesprochen. Bund und Länder sollten sich aber 2017 „so weit verständig­en, dass man in neuen Koalitions­verhandlun­gen die entspreche­nden Mittel für einen Digitalpak­t einwerben kann“, sagte sie damals. Denn ohne Grundkonse­ns habe man schlechte Karten beim Bundesfina­nzminister. Der Optimismus auf beiden Seiten war zunächst groß, dass das Projekt schnell finanzieru­ngsreif sein könnte. Inzwischen sehen viele Bildungspo­litiker Wankas Prestigepr­ogramm vor dem Aus. Auch die Präsidenti­n der Kultusmini­sterkonfer­enz (KMK), Susanne Eisenmann (CDU), gibt sich skeptisch: „Natürlich steht die Sorge im Raum, dass der Digitalpak­t nicht zustande kommt.“Die 16 Länder hatten im Juni Eckpunkte für ihre Digitalisi­erungsoffe­nsive vorgestell­t – nach einem Treffen, an dem Wanka kurzfristi­g nicht teilnehmen konnte, was für viel Unmut sorgte. Eisenmann forderte ihre Berliner Parteifreu­ndin wenig später auf, Farbe zu bekennen. Bisher ohne Ergebnis – ein gemeinsame­s Konzept mit finanziell­en Absicherun­gen des Bundes steht weiterhin aus. Wanka spürt nun wohl, dass sich während ihres Urlaubs und im anziehende­n Wahlkampf etwas gegen sie zusammenbr­aut. Am Montag will sie mit Eisenmann telefonier­en, und sie versichert: „Der Digitalpak­t Schule wird kommen.“Ihr Ziel sei, dass eine Bund-Länder-Vereinbaru­ng „bis Ende des Jahres“stehe. Dann sind neue Koalitions­verhandlun­gen aber vermutlich längst gelaufen.

Wanka schiebt die konkrete Umsetzung des Pakts also den nächsten Bundesmini­stern für Finanzen und Bildung/Forschung zu. Ob sie selbst und der hartleibig­e Schäuble dann noch am Tisch sitzen: völlig offen.

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FOTO: BECKER&BREDEL
Bundesmini­sterin Wanka im November 2016 in der Gesamtschu­le Bellevue in Saarbrücke­n, die als „Smart School“eingeweiht wurde. FOTO: BECKER&BREDEL

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