Saarbruecker Zeitung

Niedersach­sen rüstet sich für Neuwahlen

Eine Sondersitz­ung voller Anschuldig­ungen: Gestern ebnete das Parlament in Hannover den Weg für seine Selbsauflö­sung.

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VON THOMAS STRUK

HANNOVER

(afp/dpa) Begleitet von heftigen gegenseiti­gen Vorwürfen zwischen dem bisherigen Regierungs­lager und der Opposition hat der Landtag von Niedersach­sen seine Selbstaufl­ösung in die Wege geleitet. Gestern berieten die Abgeordnet­en in einer Sondersitz­ung über den gemeinsame­n Antrag, der eine vorgezogen­e Neuwahl am 15. Oktober ermögliche­n und die vom politische­n Wechsel einer Parlamenta­rierin ausgelöste Krise beenden soll.

Die überrasche­nde Entscheidu­ng der Abgeordnet­en Elke Twesten hatte rund fünf Monate vor dem regulären Landtagswa­hltermin die Einstimmen­mehrheit der rot-grünen Landesregi­erung von Ministerpr­äsident Stephan Weil (SPD) gekippt und für Streit zwischen den Fraktionen gesorgt. Weil und andere Vertreter von Rot-Grün warfen Twesten und der CDU im Landtag vor, mit dem Übertritt politische Kultur und Demokratie beschädigt zu haben.

Die CDU wies dies in der streckenwe­ise hitzigen und von vielen Zwischenru­fen unterbroch­enen Diskussion zurück und warf der Landesregi­erung ihrerseits vor, einen demokratis­chen Vorgang zu diskrediti­eren. Über den Selbstaufl­ösungsantr­ag abgestimmt wird im Landtag erst am 21. August, weil laut Landesverf­assung zuvor eine Karenzzeit von mindestens elf Tagen einzuhalte­n ist.

Weil sprach mit Blick auf die Ereignisse der vergangene­n Tage von einem „Tiefpunkt“, der der Demokratie geschadet habe. Es gehe nur um einen „inhaltsfre­ien Machtkampf“. Mit Blick auf Spekulatio­nen über mögliche CDU-Angebote an Twesten forderte Weil Aufklärung. „Das ist kein normaler Vorgang, über den wir hier reden.“Die Vorwürfe dürften nicht unbeantwor­tet bleiben.

Er bezog sich dabei ausdrückli­ch auch auf die am Wochenende parallel dazu in einem Bericht der Zeitung „Bild am Sonntag“erhobenen Vorwürfe, er habe 2015 eine Regierungs­erklärung zur Abgasaffär­e beim niedersäch­sischen Autobauer VW mit diesem abgestimmt. „An Zufälle mag glauben, wer will, ich glaube nicht daran“, sagte er. Die Vorwürfe wies er erneut zurück.

SPD-Fraktionsc­hefin Johanne Modder ergänzte, über Parlaments­mehrheiten sollten allein die Wähler und nicht „einzelne, persönlich enttäuscht­e Abgeordnet­e“entscheide­n. Grünen-Fraktionsc­hefin Anja Piel hielt Twesten vor, mit ihrem Wechsel dem Ansehen des Landtags geschadet zu haben. „Es wäre glaubwürdi­ger gewesen, wenn Sie Ihr Mandat niedergele­gt hätten und für einen Nachrücker Platz gemacht hätten.“

Dagegen warf CDU-Fraktionsc­hef Björn Thümler Weil und seiner Partei vor, für die „Klimavergi­ftung“der vergangene­n Tagen verantwort­lich zu sein, weil sie mit „absurden Unterstell­ungen“hantierten. Der Parteiwech­sel einer Abgeordnet­en sei ein „demokratis­cher Vorgang“. Die FDP bezeichnet­e Weils Kritik an Elke Twesten als „Mitleidsnu­mmer“. „Herr Ministerpr­äsident, Sie sind an sich selbst gescheiter­t und nicht an Elke Twesten“, sagte Landeschef Stefan Birkner.

Laut zweier aktueller Umfragen könnten SPD und Grüne bei der Neuwahl am 15. Oktober ihre Mehrheit nicht verteidige­n. Würde schon an diesem Sonntag gewählt, würde die CDU mit 40 Prozent stärkste Kraft, heißt es in einer gestern veröffentl­ichten Infratest-dimap-Umfrage für den Norddeutsc­hen Rundfunk.

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Die Abgeordnet­en der vier Parteien im niedersäch­sischen Landtag bei der gestrigen Sondersitz­ung in Hannover. Nach dem turbulente­n Machtwechs­el und dem Verlust der rot-grünen Regierungs­mehrheit beriet das Parlament über seine Auflösung. FOTO: HOLGER...
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FOTO: HOLLEMANN/DPA
Sie löste die politische Krise von Niedersach­sen aus: die neue CDU-Landtagsab­geordnete Elke Twesten. FOTO: HOLLEMANN/DPA

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