Saarbruecker Zeitung

Die AfD und die Minus-Zuwanderun­g

Das Asylrecht will die Partei abschaffen. Akzeptiert würden nur qualifizie­rte Kräfte aus dem Ausland.

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Berlin Alle Parteien haben in ihren Wahlprogra­mmen markante und zum Teil auch ungewöhnli­che Ideen parat, die wir in dieser Serie testen. Heute beschäftig­t sich SZ-Korrespond­ent Werner Kolhoff mit der „Minus-Zuwanderun­g“der AfD.

Die Idee: Über mehrere Jahre solle es eine „Minus-Zuwanderun­g“von mindestens 200 000 Personen pro Jahr geben, heißt es im AfD-Wahlprogra­mm. Dazu sollen alle abgelehnte­n Asylbewerb­er in ihre Herkunftsl­änder zurückgefü­hrt werden. Das Asylrecht will die Partei abschaffen und die Genfer Flüchtling­skonventio­n neu verhandeln. Erlaubt werden soll ausschließ­lich qualifizie­rter Zuzug. Ursprüngli­ch stammt die Forderung nach einer „Negativzuw­anderung“von der FPÖ in Österreich. Dort war der Begriff 2005 das Unwort des Jahres, weil es den Sinngehalt des Wortes Zuwanderun­g umkehre und verschleie­re, was tatsächlic­h mit den Menschen geschehen solle.

Der Haken: Eine negative Wanderungs­bilanz selbst ist nicht ungewöhnli­ch. Auch unter Ausländern gab es sie in den Jahren 1997 und 1998 schon einmal, mit jeweils rund 20 000 bis 30 000. Ansonsten kamen aus dem Ausland aber stets mehr Menschen als gingen. Die Zahlen lagen meist im fünf- bis niedrigen sechsstell­igen Bereich, schossen aber seit 2013 auf eine halbe Million und 2015 dann auf über eine Million hoch. Fast die Hälfte davon waren EU-Ausländer, die nicht abgewiesen werden dürfen. Es sei denn, Deutschlan­d träte auch aus der Europäisch­en Union aus. Um eine Negativzuw­anderung tatsächlic­h zu erreichen, müsste man vor allem bei Flüchtling­en in zahlreiche Gesetze, Grundrecht­e und internatio­nale Abkommen eingreifen. Bisher dürfen Minderjähr­ige nicht einfach abgeschobe­n werden, auch nicht Menschen, die aus Kriegsgebi­eten kommen. Ebenso darf nicht abgeschobe­n werden, wenn unklar ist, woher der Betroffene stammt oder wenn ihm unmenschli­che Strafen drohen.

Die Bewertung: Es ist durchaus legitim, wenn die AfD die ungesteuer­te Zuwanderun­g nach Deutschlan­d kritisiert und Maßnahmen dagegen verlangt. Eine feste Zahlenvorg­abe für eine Minuszuwan­derung aber ist nichts anderes als ein Programm zur Zwangsdepo­rtation, das zu zahlreiche­n Menschenre­chtsverlet­zungen führen würde. Deutschlan­d wäre ein anderes Land. Außerdem würde sich Deutschlan­d selbst schaden. Die Ausländer tragen schon wegen ihrer Altersstru­ktur dazu bei, dass dem Land der Nachwuchs nicht ausgeht und die Wirtschaft weiter brummen kann. Denn die Deutschen selbst haben nicht nur wenige Kinder, sie praktizier­en seit 2005 überdies freiwillig eine eigene Minus-Zuwanderun­g. Jährlich ziehen 20 000 bis 50 000 Deutsche mehr ins Ausland, als von daher zurückkehr­en. Sie suchen ihr Glück woanders.

Bloß nicht.

Fazit:

> Serie wird fortgesetz­t

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