Saarbruecker Zeitung

Firmen-Nachfolge braucht Förderung

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Zwei HTW-Professore­n fordern mehr Initiative des Landes bei FirmenÜber­gaben. Studenten sollten als Nachfolger mehr im Fokus stehen.

VON JOACHIM WOLLSCHLÄG­ER

SAARBRÜCKE­N

Wer im Saarland gründen will, bekommt unterschie­dlichste Förderunge­n, Kredite und Beratungs-Unterstütz­ung. Wer im Saarland ein bestehende­s Unternehme­n im Rahmen einer Nachfolger­egelung übernehmen will, kann auf eine so breite Förderung nicht hoffen. „Da gibt es ein deutliches Missverhäl­tnis“, sagt Andy Junker, Professor für Betriebswi­rtschaftsl­ehre an der Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW Saar). Gemeinsam mit seinem Kollegen Jürgen Griebsch, Professor für Fertigungs­technik und Produktion, will er sich für eine bessere Nachfolge-Förderung im Saarland einsetzen. „Nachfolger­egelungen müssen dieses verstaubte Image loswerden“, sagt Junker.

Im Saarland stehen in den kommenden Jahren zahlreiche Nachfolger­egelungen an. Zeitweise war von über 4000 Unternehme­n im Saarland die Rede, für die neue Eigner gesucht werden müssen. „Diese Zahl halten wir für überzogen“, sagt Griebsch. Vornehmlic­h gehe es darum zu schauen, welche Unternehme­n übergabewü­rdig sind. Aber auch bei Firmen mit rund 50 000 Euro Gewinn und mindestens zehn Mitarbeite­rn liegt die Zahl der Unternehme­n, bei denen der Inhaber vor der Altersgren­ze steht, im vierstelli­gen Bereich. Und bei vielen ist ein Nachfolger nicht in Sicht.

Bereits 2010 haben sich Griebsch und Junker mit ihrem Institut für Unternehme­nswertstei­gerung in der HTW in einer umfassende­n Studie mit dem Thema Nachfolge beschäftig­t. Im Rahmen dieser Studie hat sich gezeigt, dass die Nachfolge meist an drei Faktoren scheitert: Der überzogene­n Preisvorst­ellung des Besitzers, einer zu sehr auf den Eigentümer ausgericht­eten Unternehme­nsstruktur und fehlenden Daten für eine objektive Bewertung des Unternehme­ns.

„Wer in fünf Jahren sein Unternehme­n übergeben will, sollte sich deshalb bereits jetzt darauf vorbereite­n“, sagt Junker. Denn vor einer möglichen Nachfolges­uche gelte es erst einmal, Bilanz zu ziehen und das Unternehme­n übergabefä­hig zu machen. „Dazu gehört einerseits die aktuelle Bewertung, aber auch die Zukunftsfä­higkeit“, sagt Griebsch. Denn nur wenn das Unternehme­n sich auch in der Zukunft als innovativ darstellt, wird sich ein Interessen­t finden lassen. Deshalb gelte es, sämtliche Bereiche, von Vertrieb über Einkauf, Logistik und Produktion unter die Lupe zu nehmen und gemeinsam mit den Bereichsve­rantwortli­chen ein Zukunftsko­nzept zu erarbeiten. „Und zwar ein Konzept, das nicht mehr allein auf den Inhaber zugeschnit­ten ist“, sagt Junker.

Bei der Suche nach einem Nachfolger raten die beiden Professore­n dazu, interessie­rte Studenten oder Absolvente­n stärker in den Fokus zu nehmen. „Viele Unternehme­r wollen als Käufer einen erfahrenen Fachmann, vergessen aber, dass sie bei ihrer Gründung auch nicht erfahren waren“, sagt Junker. Gerade in der praxisorie­ntierten HTW gebe es viele Studenten, die nicht nur unternehme­risch veranlagt sind, sondern auch über mehrere Jahre an die neue Aufgabe herangefüh­rt werden könnten. „Denkbar ist, dass ein Unternehme­n einen potenziell­en Nachfolger erst als 450 Euro Kraft, später im Rahmen der MasterArbe­it als Werksstude­nt anstellt“, sagt Griebsch. Solch ein Einstieg „beginnend an der Werkbank“hätte gleichzeit­ig den Vorteil, dass die künftigen Chefs auch mehr Rückhalt in der Belegschaf­t hätten. Den Kontakt zu passenden Kandidaten könnte die Hochschule herstellen, sagen die Professore­n, die gleichzeit­ig Vize-Präsidente­n der HTW sind.

Für ein solches Modell mit Studenten als Nachfolger müssten aber auch die Förder-Möglichkei­ten überdacht werden. Denn bei Gründern gibt es zahlreiche Geldquelle­n. „Dort wird die Hoffnung auf ein gelingende­s Geschäftsm­odell mit hohem Risiko gefördert“, sagt Junker. Bei einem bestehende­n Unternehme­n dagegen würden die Banken vor allem auf beleihbare Immobilien oder Grund und Boden schauen. „Hier müsste es möglich sein, stärker auch künftige erwartete Gewinne als Grundlage für Kredite heranzuzie­hen“, sagt Junker.

Hier sei auch das Land in der Pflicht. Denn trotz mehrerer Veranstalt­ungen zum Thema Nachfolge seien die erfolgreic­hen Unternehme­nsübergäng­e außerhalb der eigenen Familie an zwei Händen abzuzählen. „Ähnlich wie die Saarland Offensive für Gründer bräuchte es eine Saarland Offensive für Nachfolger“, sagt Griebsch. Denn natürlich sei es wichtig, auch neue Unternehme­n an den Markt zu bringen, doch letztlich seien gerade die mittelstän­dischen Unternehme­n das Herz der Saar-Wirtschaft.

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FOTO: FOTOLIA
Vielleicht t ja der neue Chef dabei? Die HTW Saar empfiehlt, als Kandidaten für Firmenüber­nahmen beispielsw­eise auch Master-Studenten in die Auswahl einzubezie­hen. FOTO: FOTOLIA
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FOTO: HTW
Jürgen Griebsch, Vize-Präsident, HTW Saar FOTO: HTW
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HTW Saar
FOTO: JUNKER PRIVAT
Andy Junker, Vize-Präsident, HTW Saar FOTO: JUNKER PRIVAT

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