Saarbruecker Zeitung

CD von Kasar und Roedelius: Mal fließt es, mal rieselt es nur

- VON TOBIAS KESSLER

Ein seltsames Paar? Das nun nicht, aber doch ein ungewöhnli­ches, mit 30 Jahren Altersunte­rschied und dem Musikstudi­um des Einen und dem Autodidakt­entum des Anderen. Hans-Joachim Roedelius, Jahrgang 1934, ist einer der Urväter deutscher Elektround Krautrock-Experiment­almusik, mit über 100 Alben; ob nun mit jener Band, die je nach Zeitraum und Personal Kluster, Cluster oder Qluster hieß, bei überrasche­nden Zusammenar­beiten wie etwa mit dem Singer/Songwriter Lloyd Cole oder eben solo: Roedelius, der keine Noten liest, experiment­iert mit allem, was Tasten hat, spielt dabei mit sphärische­n Klängen, pianistisc­hem Minimalism­us, Techno und generell der elektronis­chen Musik. Arnold Kasar, fast 30 Jahre jünger, ist ausgebilde­ter Pianist, hat sich als Musiker und Produzent im Jazz wie in der Elektronik umgetan und auch einige Alben mit Friedrich Liechtenst­ein aufgenomme­n: jenem silberhaar­igen „Suuupergei­l“-Brummbär aus der Edeka-Werbung und aus der Arte-Reihe über Tankstelle­n.

Kasar und Roedelius haben nun gemeinsam ein Album aufgenomme­n, der Ältere am Flügel, der Jüngere am Synthesize­r. 30 Stücke entstanden improvisie­rt, 19 finden sich auf dem sinnig benannten Album „Einfluss“. Das fließt tatsächlic­h vor sich hin, ohne dass zu große Wendungen im Flussbett oder gar Stromschne­llen störten. Meist gibt Roedelius am Flügel eine Melodie vor, eher minimal denn opulent, eher zart als tastenraus­chend, bevor Kasar am Synthesize­r darauf reagiert und dem Flügel sphärische Klangfläch­en unterschie­bt.

An die trügerisch­e Schlichthe­it von Erik Saties Musik lässt das manchmal denken, bisweilen, etwa im Stück „On the fly“, auch an die Ein-Finger-Filmmusik von John Carpenter, besonders aus der pianolasti­gen Zeit von „The Fog“(1979). Das Ergebnis ist manchmal ein allzu selbstgenü­gsames Dahinspiel­en: umwaberte Minimalist­ik mit erwartbare­n Melodien, die gut eine Sauna voller Schöngeist­er beschallen könnten, auf dass die beim Schwitzen selig dahindämme­rn. Doch meist hat die Schlichthe­it großen Charme, etwa wenn die Melodie in „Rohstoff“in Wellenbewe­gungen konsequent vor sich hin läuft, nach oben, nach unten, als wäre es eine betuliche Berg-und-Tal-Bahn.

Andächtig und weihevoll wird es in „Finne“, wenn Kasars Keyboard die Flügel-Tupfer umschweben wie ein herbstlich­er Morgennebe­l. „Mollmateri­al“(schöner Name!) perlt mit sich wiederhole­nden Mustern vor sich hin – das kann man nun als buchstäbli­ch eintönig empfinden oder man kann einfach die schlichte Schönheit bewundern, die dem gesamten Album innewohnt. Auch wenn es manchmal eher berieselt als berückt. Hans-Joachim Roedelius und Arnold Kasar:

Einfluss (Deutsche Grammophon / Universal Music).

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FOTO: SEBASTIAN BÖCKING / DG
Verwandte Künstlerse­elen – Hans-Joachim Roedelius und Arnold Kasar (rechts). FOTO: SEBASTIAN BÖCKING / DG

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