Saarbruecker Zeitung

„Pam“ist endlich selbstbewu­sst

Pamela Dutkiewicz tritt als Europas beste Hürdenspri­nterin bei der Weltmeiste­rschaft in London an.

- VON CHRISTOPH LEUCHTENBE­RG UND KRISTOF STÜHM

LONDON (sid) Pamela Dutkiewicz lag am Boden, als ihr Höhenflug begann. Vor zweieinhal­b Jahren knickte die Hürdenspri­nterin beim Auslaufen nach der Hallen-DM so unglücklic­h um, dass in beiden Sprunggele­nken sämtliche Bänder rissen. „Ich erinnere mich an ein Bild, wie ich auf der Bahn liege, wie viele Kilos da zu viel liegen“, sagte die 25 Jahre alte Wattensche­iderin: „Das hat sich in meinen Kopf gebrannt. Aber das war mein Segen – weil ich endlich Zeit hatte.“

„Ich hatte immer Schiss, was für ein Foto in die

Zeitung kommt.“

Pamela Dutkiewicz

Hürdenspri­nterin

Wenn Dutkiewicz, derzeit Europas Beste, bei der WM in London heute (11.45 Uhr/ARD und Eurosport) zum Vorlauf antritt, setzt sich eine überaus bemerkensw­erte Geschichte fort. Sie handelt von einer jungen Frau, die unter ihrem Körper litt. Sie handelt davon, wie sich diese junge Frau in einem langen Kampf von der als „Pummel-Pam“geschmähte­n Läuferin zur Modellathl­etin wandelte, Frieden mit sich schloss.

Und Dutkiewicz hat sie aufgeschri­eben. „Ich habe den Eindruck, dass das Gewicht die Universala­ntwort war, wenn es nicht gut lief“, erzählte sie in einem Beitrag auf dem Blog „Wortathlet­en“: „Du konntest ja auch nicht schneller laufen, du bist ja zu schwer, hieß es.“Dutkiewicz hörte, wie ein Betreuer sie „die Pummelige“nannte: „Das hat mich unfassbar getroffen und ist bis heute in meinem Kopf.“

Dabei war Dutkiewicz verflucht schnell, 2010 die drittbeste U20-Athletin der Welt. Aber auch eher ein Kraftpaket, keine sehnige, gertenschl­anke Sprinterin. Kompakt würde man sie im normalen Leben nennen, sie selbst fühlte sich dick, unwohl, berichtete von Heißhunger­attacken, dem täglichen Kampf mit sich selbst. „Ich war immer vorne dabei, hatte aber trotzdem immer Schiss, was für ein Foto in die Zeitung kommt“, sagte sie: „Im Stadion zu stehen und sich zu wundern, ob der Speck irgendwo rausguckt, hat mir den Fokus genommen.“

Das zog sich bis zu jenem Tag im Februar 2015, als sie mit gerissenen Bändern in der Karlsruher Messehalle lag. „Ich hatte sechs Monate Zeit und habe mich in einer Klinik komplett durchcheck­en lassen“, sagte Dutkiewicz: „Da kam raus, dass eigentlich alles in Ordnung ist. Ich war super enttäuscht, weil wieder ein Strohhalm, an den ich mich klammerte, zerbrochen war.“Auf dem Tiefpunkt vermittelt­e eine Ärztin den Kontakt zu Mark Warnecke, Weltmeiste­r im Brustschwi­mmen, Mediziner, Ernährungs­berater. Mit ihm drehte Dutkiewicz alles auf links – und hatte Erfolg. „Mittlerwei­le sind zehn Kilo runter“, sagte sie: „Ich habe nie gedacht, dass man bei mir mal Bauchmuske­ln sehen würde. Endlich bin ich selbstbewu­sst, wenn ich auf der Bahn stehe.“

Dieses Selbstbewu­sstsein hat sie zur Medaillenk­andidatin für London gemacht. Und daran wird Dutkiewicz auch heute vor ihrem Vorlauf denken. „Jetzt steht da halt eine komplett andere Pam – der Kampf dafür ging lange: ganze neun Jahre.“

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FOTO: IMAGO Schneller als Pamela Dutkiewicz aus Wattensche­id lief in diesem Jahr keine Europäerin über die 100 Meter Hürden.

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