ZF garantiert Jobs an der Saar bis 2022
Die 8500 ZF-Beschäftigten verzichten gegen Job-Sicherheit auf zwei Prozent Gehalt. Und für Acht-Gang-Getriebe bleibt Saarbrücken Leitwerk.
SAARBRÜCKEN Der Autozulieferer ZF wird im Saarbrücker Werk fünf Jahre lang auf betriebsbedingte Kündigungen verzichten. Das hat das Unternehmen in monatelangen Verhandlungen mit dem Betriebsrat vereinbart und gestern mitgeteilt. Im Gegenzug verzichten die Mitarbeiter auf einen Teil ihrer übertariflichen Gehaltszulage. Konkret wird die tarifliche Gehaltserhöhung von zwei Prozent ab Januar mit den übertariflichen Zulagen bei ZF verrechnet. Diese bleiben dauerhaft auf dem niedrigeren Niveau. Die Jobsicherung gilt auch für die Auszubildenden: Bis 2022 erhalten sie eine Übernahmegarantie. ZF beschäftigt in Saarbrücken 8500 Menschen.
Die Betriebsvereinbarung, der die Mitarbeiter mit einer Quote von über 99 Prozent zugestimmt haben, gibt der ZF-Belegschaft nicht nur eine Jobgarantie bis Ende 2022, sie beinhaltet auch eine Zukunftssicherung für das Werk. So sei auch vereinbart worden, dass Saarbrücken Leitwerk im Konzern für die Acht-Gang-Automatik-Getriebe bleibt. Für die kommende, dritte Generation der Getriebe hat Saarbrücken nach Aussage von Werksleiter Hermann Becker bereits den Zuschlag bekommen, für die Nachfolgegeneration seien „die Weichen gestellt“, sagte Betriebsratschef Manfred Schuler. Außerdem sei gesichert, dass die Produktionsmenge von 2,5 Million Getrieben pro Jahr in Saarbrücken nicht gekürzt werde, sagte Becker.
Es sei nicht einfach gewesen, den Mitarbeitern die Notwendigkeit für die Einschnitte zu vermitteln, sagte Matthias Scherer, stellvertretender Betriebsratschef bei ZF. Das Unternehmen schreibt aktuell hervorragende Zahlen. Angesichts der hohen Zustimmungsquote in der Belegschaft zeige sich aber, dass die Mitarbeiter erkannt hätten, dass es beim Gehaltsverzicht um Zukunftssicherung gehe, weil damit unter anderem neue Entwicklungen im Werk finanziert werden könnten.
Teil der Vereinbarung sei auch, nach 2022 weitere Produkte nach Saarbrücken zu bringen. Unter anderem sei geplant, ein vollkommen neues Getriebe im Saarland zu produzieren, das sowohl bei konventionellen wie auch bei Voll-Elektrischen-Fahrzeugen eingesetzt werden könne. Auch über Produkte abseits der Getriebe-Technik werde gesprochen. Dabei rede man aber über einen Zeitraum nach 2030, sagte Werksleiter Becker.
Im Rahmen der Betriebsvereinbarungen wurden auch Maßnahmen zur Standortverbesserung beschlossen. So will ZF das Gesundheitsmanagement stark ausweiten und so die Krankenquote von aktuell rund sieben Prozent senken. Außerdem soll bis Anfang 2019 ein neues Ausbildungszentrum gebaut werden.
SAARBRÜCKEN Angesichts eines hohen Krankenstandes will ZF im Werk Saarbrücken das Gesundheitsmanagement deutlich ausweiten. Angesichts einer Krankheitsquote von mehr als sieben Prozent stünden weitere Maßnahmen zur Gesundheitsförderung im Fokus, sagte Werksleiter Hermann Becker gestern. Konkrete Schritte werden jetzt mit dem Betriebsrat verhandelt. Vor allem gehe es darum, das aktuelle Schichten-Modell zu überdenken. „Wir kommen nicht um das Drei-Schicht-Modell herum“, sagte Becker. Aber es sei mittlerweile erwiesen, dass mehr als drei Nachtschichten in Folge negative Auswirkungen auf die Gesundheit hätten. Bei ZF seien derzeit noch fünf aufeinanderfolgende Nachtschichten üblich. Das soll künftig auf zwei Schichten reduziert werden.
Betriebsratschef Wolfgang Schuler kündigte an, die Belegschaft zu ihren Vorstellungen zu befragen. „Wir werden dann Pilotprojekte starten und neue Schicht-Modelle testen“, sagte er. Auch den Arbeitnehmern sei klar, dass ZF nicht um die Nacht-Schichten herumkomme, aber gemeinsam mit dem Management werde man versuchen, die Schichten so gesund wie möglich zu machen.
Weil auch psychisch bedingte Krankheiten immer stärker zunehmen, gelte es auch, das Führungsverhalten im Unternehmen stärker unter die Lupe zu nehmen, sagte Matthias Scherer, stellvertretender Betriebsratsvorsitzender bei ZF. „Bei rund zehn Prozent der Führungskräfte gibt es deutlichen Schulungsbedarf in dieser Richtung“, sagte Scherer.
Die Gründe sowohl für die körperlichen wie auch die psychischen Probleme der Mitarbeiter liegen allerdings für den Betriebsrat wie auch für die Werksleitung auf der Hand: „In den Jahren 2010 bis 2015 hatten wir das Problem, überhaupt unsere Kunden zu versorgen und Stillstände zu vermeiden“, sagte Becker. In diesen Jahren ist das Werk in atemberaubender Geschwindigkeit gewachsen. Innerhalb weniger Jahre war die Produktionskapazität von 740 000 Getrieben auf rund 2,4 Millionen Getriebe gestiegen. Die Mitarbeiterzahl hat sich in dieser Zeit etwa verdoppelt.
„In diesen Jahren konnten wir die Gegebenheiten wie beispielsweise Sozialräume nicht in der gleichen Geschwindigkeit ausbauen wie die Produktion“, sagte Becker. All das sei in den Hintergrund getreten, weil „wir Maschinen aufgestellt haben und produzieren mussten und wollten.“Jetzt habe ZF den Höhepunkt der Produktion erreicht und damit die Zeit und Ruhe, sich auch um diese Themen zu kümmern.
Das verbesserte Gesundheitsmanagement gehört zum Standort-Programm „Level Up“, das im Rahmen der aktuell abgeschlossenen Betriebsvereinbarung beschlossen wurde. Dieses Programm soll laut Becker dazu dienen, den Standort insgesamt noch attraktiver zu machen. Teil des Programms ist demnach auch eine Ausweitung des betrieblichen Vorschlagswesens sowie die Weiterentwicklung von Aus- und Weiterbildung im Unternehmen. Die Details zur konkreten Ausgestaltung des Programms werden jetzt verhandelt und sollen bis Ende des Jahres beschlossen werden.
„Von 2010 bis 2015 hatten wir das Problem, überhaupt unsere Kunden zu versorgen.“
Hermann Becker
Werkleiter ZF Saarbrücken