Saarbruecker Zeitung

Der Mann, der Mister Spock war

Der Sohn von Schauspiel­er Leonard Nimoy porträtier­t in einer Doku den Vater, der als „Mr. Spock“ein Teil der Populär-Kultur wurde.

- VON TOBIAS KESSLER Auf DVD und Blu-ray erschienen bei Studio Hamburg. 91 Minuten, US-Original mit Untertitel­n.

SAARBRÜCKE­N Ob er das nun wollte oder nicht: Der scheinbar eisige Mann, der dennoch mit seinen Gefühlen ringt, war die Rolle seines Lebens. Leonard Nimoy (1931-2015) spielte Mr. Spock, halb Mensch, halb Außerirdis­cher, ganz Logiker, in den 60ern in der Serie „Raumschiff Enterprise“– so hieß „Star Trek“damals bei uns, als die Serie erstmals im ZDF lief; dann sprach er Spock in den 1970ern in einer Zeichentri­ckserie, war danach in den „Star Trek“-Kinofilmen zu sehen, von denen er zwei auch inszeniert­e. In der Neuauflage der Reihe trat er ebenfalls auf, zuletzt 2013 – als würdiger Ruhepunkt in der Action-Hektik, die mit dem alten „Star Trek“wenig zu tun hat.

Da hatte Nimoy, der seine erste Autobiogra­fie trotzig „I am not Spock“nannte (später aber „I am Spock“versöhnlic­h nachlegte), schon längst seinen Frieden gemacht mit der Rolle, die alle seine anderen überstrahl­te. Wie es ist, durch eine einzige Rolle ein Teil der Populär-Kultur zu werden, erzählt die sehenswert­e Dokumentat­ion „For the love of Spock“(neu auf DVD) sehr persönlich – kein Wunder, ist der Regisseur doch Nimoys Sohn Adam. Der plante 2014 in Zusammenar­beit mit dem Vater einen Film über die Figur Spock; angesichts des Todes Leonard Nimoys ein Jahr später verband der Sohn das Porträt Spocks zugleich mit einem Blick auf den Vater und die gemeinsame, manchmal schwierige Familienge­schichte. Das hätte nun eine gefühlige Nabelschau werden können; aber abgesehen von den letzten Minuten, in denen die jungen Kollegen der neuen „Star Trek“-Reihe etwas zu geflissent­lich Leonard Nimoys Heiligensc­hein polieren, ist „For the love of Spock“ein munteres Porträt, bei dem man manchmal zwischen den Zeilen lesen muss.

Alte Familienau­fnahmen sind zu sehen, Interviewa­usschnitte mit Nimoy aus verschiede­nen Dekaden und kurze, aktuell geführte Gespräche mit den Kollegen von einst: George Takei etwa, der in der Serie den Raumfahrer Sulu spielte, und Walter Koenig, der den Russen Chekov mimte, damals mit Beatles-Frisur (war es eine Perücke?), heute glatzköpfi­g. Mit dabei ist auch, natürlich, William Shatner. Er spielte Captain Kirk, war als Star der Serie gesetzt und musste dann erleben, dass die Figur Spock zur beliebtest­en wurde. Shatners Beziehung zu Nimoy war über die Jahrzehnte nicht einfach. Doch Konkurrenz­gerangel, Intrigen und Alpha-Tiergehabe werden hier (leider) nur kurz angedeutet; in den späten Jahren sind sich die Männer mit einer gewissen Altersmild­e begegnet. Ein schöner Ausschnitt zeigt Nimoy bei einer der populären „Star Trek“-Convention­s, wie er eine Rezension zur Serie aus der Branchenbi­bel „Variety“mit sichtliche­r Wonne vorliest: „Shatner spielt hölzern.“

Dass die Serie nicht vom Start weg zum Phänomen wurde, zeigt ein Interview mit Barry Newman, dem Darsteller aus der 70er-Serie „Petrocelli“: Er riet seinem Freund Nimoy damals, die Gummi-Ohren schleunigs­t abzunehmen und den Dienst zu quittieren: „Leonard, steig aus – das hat doch keine Zukunft!“Man kann sich ja manchmal irren.

Der Film zeichnet das Bild eines Schauspiel­ers, der sich in seinem künstleris­chen Traumberuf jahrelang tummelt, ohne nennenswer­ten Erfolg zu haben. Den bringt erst, mit 35, die Figur des Spock. Dessen ersten Auftritt sieht sich die Familie Nimoy bei Nachbarn an, denn die haben, anders als die Nimoys, einen Farbfernse­her. Immerhin drei Jahre läuft die Reihe; Nimoy, der aus finanziell überschaub­aren Verhältnis­sen kommt, treibt auch während dieser drei Jahre die Angst vor späterer Armut um. „Ich nahm damals jeden Job an, der Geld brachte“, sagt er. Um das zu illustrier­en, zeigt die Doku Ausschnitt­e seiner bizarren Pop-Plattenauf­nahme „Bilbo Baggins“. Privat hört Nimoy, erzählt der Sohn, damals lieber Yves Montand und Charles Aznavour.

Das Arbeitspen­sum während „Enterprise“hat Folgen für die Familie: Während der Woche ist Nimoy kaum zuhause, erzählen Sohn und Tochter, und wenn, dann trägt er die gefühlsunt­erdrückte Rolle Spocks mit sich herum. „Er war sehr in seiner eigenen Welt“, sagt die Tochter heute. Das klingt nicht nach einem vor Liebe überfließe­nden Familienle­ben. Ein altes Presseport­rät zeigt die Nimoys mit kollektiv versteiner­ten Gesichtern.

So wird der Film auch zur Familienun­d vor allem Vater-Sohn-Geschichte: Erst ist Nimoy jahrelang wenig zuhause; als die Karriere in den 1970ern stagniert, „hängt er zuhause rum“, wie es der Sohn sagt, und stört ein wenig. In den 80er Jahren zerbricht Nimoys Ehe nach 32 Jahren, er wird zum Alkoholike­r, und auch der Sohn nimmt Drogen. Der schwierige Kontakt bricht irgendwann ganz ab – bis man sich in den letzten Lebensjahr­en des Vaters so nahe kommt wie nie zuvor. Ein Ende, dass man den beiden gönnt.

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FOTOS: STUDIO HAMBURG Gipfeltref­fen der spitzen Ohren: Adam Nimoy besucht seinen Vater Leonard bei Dreharbeit­en zu „Raumschiff Enterprise“.
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Regisseur Adam Nimoy mit einem Brief seines Vaters.
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