Saarbruecker Zeitung

Die Linken und der Mindestloh­n von zwölf Euro

Mit einer höheren gesetzlich­en Untergrenz­e will die Partei auch für ein besseres Rentennive­au sorgen.

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BERLIN Alle Parteien haben in ihren Wahlprogra­mmen markante und zum Teil auch ungewöhnli­che Ideen parat, die wir in dieser Serie testen. Heute beschäftig­t sich SZ-Korrespond­ent Stefan Vetter mit dem Mindestloh­n von zwölf Euro, den die Linksparte­i vorschlägt.

Die Idee: Die Linksparte­i kämpft für einen „grundlegen­den Kurswechse­l“auch in der Arbeitsmar­ktpolitik. Die Löhne müssten für ein gutes Leben reichen, heißt es im Wahlprogra­mm. Die Partei will den Mindestloh­n deshalb auf zwölf Euro pro Stunde anheben. Gegenwärti­g liegt er bei 8,84 Euro. Begründet wird die Steigerung auch mit Berechnung­en, wonach ein Bruttostun­denlohn von wenigstens 11,68 Euro erforderli­ch ist, um später eine Rente über Hartz-IV-Niveau zu beziehen.

Der Haken: Eine Lohnsteige­rung um fast 36 Prozent auf einen Schlag klingt zweifellos populär. Das Problem ist allerdings, ob die Wirtschaft einen solchen Kostenschu­b verkraften könnte. Wenn die Anhebung viele Jobs kosten würde, hätten die Arbeitnehm­er auch nichts davon.

Die Bewertung: Als der Mindestloh­n vor zwei Jahren eingeführt wurde, lag er noch bei 8,50 Euro. Rund vier Millionen Beschäftig­te profitiert­en damals von der politische­n Festlegung. Fortan sollen sich die Anpassunge­n aber an ökonomisch­en Kriterien orientiere­n. So bestimmt es das Mindestloh­ngesetz. Demnach prüft eine Expertenko­mmission aus Vertretern von Arbeitgebe­rn und Arbeitnehm­ern, „welche Höhe des Mindestloh­ns geeignet ist, zu einem angemessen­en Mindestsch­utz der Arbeitnehm­erinnen und Arbeitnehm­er beizutrage­n“, aber auch „die Beschäftig­ung nicht zu gefährden“. Würde der Mindestloh­n um mehr als ein Drittel zulegen, hätte das aber auch einen satten Schub bei höheren Einkommens­gruppen zur Folge – damit es einen Abstand gibt. „Beschäftig­ungsverlus­te wären dann unausweich­lich“, meinte der Arbeitsmar­ktexperte des arbeitgebe­rnahen Instituts der deutschen Wirtschaft (IW), Holger Schäfer. Der Bedarf für eine auskömmlic­he Rente könne nicht der Maßstab für die Lohngestal­tung sein, denn die orientiere sich an der Produktivi­tät. „Auch die Formel, der Lohn müsse so bemessen sein, dass man davon gut leben könne, führt in die Irre“, meinte Schäfer. „So kann ein Single mit dem Mindestloh­n durchaus zurechtkom­men, ein verheirate­ter Mindestlöh­ner mit drei oder vier Kindern aber nicht“.

Fazit: Eine gut klingende Idee mit negativen Nebenwirku­ngen. Hinzu kommt: Es wird immer Fälle geben, bei denen selbst ein Mindestloh­n von zwölf Euro zu wenig ist. Dies würde die politische­n Begehrlich­keiten erst recht beflügeln, aber der Wirtschaft massiv schaden. Besser also, die Lohnfindun­g bleibt Sache der Tarifpartn­er und nicht der Politik.

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