Saarbruecker Zeitung

„Kein Terrorist, sondern ein Betrüger“

Die Richter sind überzeugt, dass Hassan A. versucht hat, den IS zu betrügen. Deshalb soll er zwei Jahre in Haft.

- VON MICHAEL JUNGMANN

SAARBRÜCKE­N Das Schwurgeri­cht am Saarbrücke­r Landgerich­t unter Vorsitz von Richter Bernd Weber war sich am Freitag nach längerer Beratungsp­ause einig: „Der Angeklagte ist kein Terrorist, sondern ein Betrüger.“Ursprüngli­ch saß der 39-jährige Friseur Hassan A. aus Damaskus seit Silvester 2016 wegen Terrorverd­achts und versuchten Mordes in Untersuchu­ngshaft. Jetzt verurteilt ihn die erste Strafkamme­r wegen versuchten Betrugs am Islamische­n Staat (IS) zu zwei Jahren Gefängnis ohne Bewährung.

Der Grund dafür: Per Internetch­at hat Hassan A. einem – wie er glaubte – IS-Verbindung­smann Pläne für Sprengstof­fanschläge mit als Polizeiaut­os getarnten Fahrzeugen in mehreren Ländern vorgetäusc­ht. Der IS sollte diese Pläne mit 180 000 Euro finanziere­n. Zur Geldüberga­be kam es aber nie. Der Syrer, den Zeugen als sehr geldgierig und in ständiger Geldnot beschriebe­n haben, ging einem erklärten IS-Gegner auf den Leim. Der schaltete über Umwege die deutsche Polizei ein. Am Morgen des Silvestert­ages 2016 holten in Spezialein­satzkräfte aus seinem Zimmer in Burbach. Seitdem sitzt er in Untersuchu­ngshaft.

Der eigentlich­e Vorwurf des versuchen Mordes ist zumindest vorerst vom Tisch. Weber, der das Urteil 45 Minuten lang begründete, bescheinig­te dem Syrer eine „hohe kriminelle Energie“. Die Kammer habe aber nach dem Ergebnis der Beweisaufn­ahme „nicht den geringsten Zweifel daran“, dass der anerkannte Flüchtling, der vor seiner Festnahme einige Monate im Saarbrücke­r Stadtteil Burbach lebte, „weder fähig noch willens war“, überhaupt die gegenüber einem angebliche­n IS-Kontaktman­n angekündig­ten Sprengstof­fanschläge („ein ungeheuerl­icher Tatplan“) zu begehen. Er habe nie tatsächlic­h geplant, diese Attentate zu verüben.

Weber: „Der Tatplan war eine Lüge gegenüber dem vermeintli­chen IS-Repräsenta­nten.“Davon sei das Gericht (drei Berufsrich­ter und zwei Schöffen) auf Grund des erkannten Lügengefle­chtes und der Persönlich­keitsstruk­tur des Angeklagte­n überzeugt. Konkrete Hinweise auf behauptete Mittäter, angeschaff­te Autos oder Sprengstof­f gab es nicht. Vielmehr hat Hassan A. schon seit seiner Festnahme in Vernehmung­en konsequent behauptet, er wollte die IS-Terrormili­z um das geforderte Geld prellen.

Oberstaats­anwalt Guntram Liebschner hatte - wie bereits ausführlic­h berichtet - für den Mann aus Damaskus zehn Jahre Gefängnis wegen versuchten Mordes beantragt. Sein Verteidige­r Marius Müller plädierte dagegen auf Freispruch. Er kündigte „auf jeden Fall“Revision gegen das jetzt gefallene Urteil an. Der Anwalt bezweifelt, wie auch manche Prozessbeo­bachter, ob die Terror-Organisati­on Islamische­r Staat überhaupt nach deutschem Recht betrogen werden kann. Diese Frage wird wohl demnächst den Bundesgeri­chtshof (BGH) beschäftig­en. Der Oberstaats­anwalt meinte, Revision werde seitens der Anklage geprüft. Dieser Schritt „liegt mehr als nahe“.

Hassan A. bleibt nach einem Beschluss des Gerichtes wegen Fluchtgefa­hr weiter in Untersuchu­ngshaft. Die Richter gehen davon aus, dass ihm die Ausländerb­ehörde den Flüchtling­sstatus aberkennt und er aus dem Gefängnis heraus abgeschobe­n werden soll.

„Der Tatplan war eine Lüge gegenüber dem vermeintli­chen IS-Repräsenta­nten.“

Richter Bernd Weber

in der Urteilsbeg­ründung

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FOTO: B &B Das Schwurgeri­cht kurz vor der Urteilsver­kündung: Der ursprüngli­ch wegen versuchten Mordes angeklagte Syrer Hassan A. (rechts) muss wegen versuchten Betrugs zwei Jahre ins Gefängnis.

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