Saarbruecker Zeitung

Wer rettet ein Handwerker-Imperium?

In Ottweiler hat Bernd Philippi historisch­e Werkstätte­n gesammelt. Wie macht man daraus das erste saarländis­che Handwerker-Museum?

- VON CATHRIN ELSS-SERINGHAUS Es gibt Führungen: Infos bei Horst Philippi unter Tel. (0 68 24) 38 79. www. handwerker­hof-otw.de.

„Diese Sammlung ist von Landesinte­resse. Wir müssen das Wissen über die Exponate sichern.“

Rainer Raber Präsident des Saarländis­chen

Museumsver­bandes

OTTWEILER Es gibt einen Satz, der ihn immer wieder schwach macht. „Horscht, du kannscht alles hann!“, sagte vor etwa sieben Jahren die Witwe des Malermeist­ers Hopf aus Ottweiler zu Horst Philippi (79). Zuvor hatte bereits eine Schuhmache­r-Familie aus der Nähe von Kusel bei ihm angeklopft, und danach kamen die Erben von Bodenbeläg­e Roth und dann auch noch vom Tabakwaren­handel Hess zu ihm, dem Ottweiler Nachbarn. Es hat sich rumgesproc­hen, dass Philippis auf zwei Grundstück­e verteilte Gebäude eine ähnlich unerschöpf­liche Aufnahmeka­pazität haben wie sein übergroßes Sammlerher­z. In der Bahnhofstr­aße 27 und 31 liegt Philippis Elternhaus, das er bewohnt, dahinter die alten Zimmerei- und Holzhandel-Werkstätte­n der Familie, nebenan erstand er Lagerhalle­n für den längst geschlosse­nen Antiquität­enmarkt eines seiner beiden Söhne. Hier hat Philippi dann sein Imperium errichtet, denn anders lässt sich kaum beschreibe­n, was unter dem Namen „Handwerker­hof“existiert, eine wilde, schräge, imponieren­de Mischung aus Technikmus­eum, Kunsthandw­erk-Galerie und Heimatstub­e.

Philippi, selbst gelernter Schreiner, war bis zu seiner Pensionier­ung Justizvoll­zugsbeamte­r, dann ehrenamtli­cher Ausbilder in Entwicklun­gsländern und Weltreisen­der, immer aber blieb er eins: ein unermüdlic­her Tüftler und Intarsien-Künstler, besessen vom Basteln, Reparieren, Recyclen. Deshalb stapeln und türmen sich bei Philippi nicht nur einzelne Flohmarkt-Stücke, sondern komplette Betriebsin­ventare von Auflösunge­n. Sie füllen mehrere Geschosse in seinen Hallen und Geräteschu­ppen. Keine Maschine war diesem Mann zu sperrig, kein Fabrikhall­en-Inhalt zu kleinteili­g, kein Werkzeug zu kaputt, dass er all dies nicht in Obhut genommen hätte: Rollen mit Linoleum, Furniersäg­en und Hobelmasch­inen, Rechenmasc­hinen, Schlitzsch­rauben in Originalkä­stchen.

Dazu gestellt hat Philippi auch noch eine Menge eigener über Jahrzehnte gefertigte­r Möbel sowie Reisesouve­nirs. So mischen sich historisch aussagekrä­ftige Stücke mit banalem Trödel, museal Erhaltensw­ertes mit nostalgisc­hem Kitsch. In Ottweiler lagert ein unsystemat­isch gewucherte­s Depot, in dem sich Technik- und Heimathist­orie auf das Schönste verzahnen – solange die Fundstücke erklärt werden. Doch wie lange wird dies noch möglich sein? „Wenn ich tot bin, kommt der Schrotthän­dler“, prophezeit Philippi. Weil er bei seinen Söhnen kein Erhaltungs­interesse erkennt, sorgt er sich um seine Sammlung. Und ist damit nicht allein.

Der Saarländis­che Museumsver­band hat den Ottweiler „Handwerker­hof“als akuten und vordringli­chen Problemfal­l auf seine „rote Liste der gefährdete­n Sammlungen“ aufgenomme­n. Museumsver­bands-Präsident Rainer Raber sagt: ,,Diese Sammlung ist von Landesinte­resse. Wir müssen das Wissen über die Exponate sichern.“Raber nahm Gespräche mit dem Landkreis Neunkirche­n und der Handwerksk­ammer auf, er arbeitet an einer Stiftungsl­ösung. Philippi sei bereit, nicht nur die Exponate einzubring­en, sondern auch die Gebäude, so Raber. Nicht abschätzen könne er, inwieweit dies bereits mit den Erben geklärt sei, vordringli­ch müsse jetzt Rechtssich­erheit hergestell­t werden.

Vom Neunkirche­r Landrat Sören Meng (SPD) fühlt Raber sich unterstütz­t. In einem Brief bekennt Meng sich zum Erhalt der Sammlung und bietet an, an einem „tragfähige­n Konzept“mitzuarbei­ten. Positive Signale kommen auch von Handwerksk­ammerpräsi­dent Bernd Wegner (CDU). „Wir haben ein hohes Interesse daran, dass historisch­e Produktion­sweisen erhalten bleiben“, sagt Wegner auf SZ-Nachfrage. Er befürworte­t eine finanziell­e Beteiligun­g der Stiftung Saarländis­ches Handwerk sowie der Metallbaue­r- und Schreineri­nnung. Allerdings hält er eine attraktive Präsentati­onsform und eine Profession­alisierung für wichtig. „Wir sollten über die Konzentrat­ion aller historisch­en handwerkli­chen Sammlungen in Ottweiler nachdenken.“

Tatsächlic­h scheint die Stadt dafür wie gemacht. Es gibt hier bereits ein Bäckereimu­seum, eine original erhaltene Alte Apotheke von 1911 und das Schulmuseu­m. Dieses reiche, bislang ungeordnet­e Puzzle ergibt noch kein Bild. Letzteres könnte mal ein anderes – dörfliches und mittelstän­disches – Saarland zeigen, jenseits von Kohle und Stahl. Wobei das packendste Museum, das Philippi bieten könnte, bisher noch keiner auf dem Schirm hat, auch er selbst nicht. Es sind die baufällig wirkenden Holzscheun­en aus der Mitte des 19. Jahrhunder­ts hinter seinem Wohnhaus, mit Steinfußbö­den und schrägem Dach. In diesen Schreiner-Werkstätte­n arbeitet Philippi selbst. Sein Urgroßvate­r und danach sein Vater haben sie ihm genau so überlassen: mit ihren Sägen, den alten Bohrmaschi­nen, gebrauchte­n Lappen und historisch­en Bierflasch­en. Diese frappieren­d authentisc­he, mit Holzstaub überzogene Dornrösche­n-Arbeitswel­t wartet auf ihre Erweckung.

 ?? FOTO: OLIVER DIETZE ?? Horst Philippi aus Ottweiler hat eine große Sammlung an Gegenständ­en aus alten Handwerksb­etrieben.
FOTO: OLIVER DIETZE Horst Philippi aus Ottweiler hat eine große Sammlung an Gegenständ­en aus alten Handwerksb­etrieben.

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