Riesenerfolg mit Minimalismus
Die BMW R nineT Pure ist ein aufs Nötigste reduziertes Nostalgie-M otorrad. Weitere Versionen sind zu erwarten.
Vor vier Jahren überraschte BMW die Motorradwelt mit einem nostalgischen Naked Bike und machte sich damit zum 90. Geburtstag selbst das schönste Geschenk. Der minimalistische RetroRoadster BMW R nineT entpuppte sich sofort als Riesenerfolg. Und als Trendsetter, denn das klassische Bike gehört heute zu den absoluten Bestsellern der deutschen Zulassungsstatistik.
Mittlerweile hat BMW unter dem Label Heritage (Erbe) vier Ableger der R nineT (15 200 Euro) nachgeschoben, bis hinunter zur neuen, besonders puristischen und relativ erschwinglichen R nineT Pure für 12 300 Euro. Die entpuppt sich im Test zwar als durchaus einfach, aber vor allem ist sie einfach gut.
Kein Schielen auf eine Ganganzeige oder den Benzinstand, sondern Schalten nach Gehör und Gefühl sowie Tanken, wenn ein simples Lämpchen aufleuchtet. Nach diesem puristischen Strickmuster hat BMW 2014 mit der R nineT das Biken aufs Wesentliche reduziert.
Noch minimalistischer ist jetzt der neue Ableger BMW R nineT Pure, der seinem Namen voll gerecht wird. Das deutlich teurere Original namens R nineT glänzt mit hochwertigen Fahrwerkskomponenten und einem Alutank mit handgebürsteten Flanken. Die R nineT Pure dagegen ist für 1900 Euro weniger zu haben, weil einfachere Zutaten und ein Stahltank genügen. Sie macht das offenbar so reizvolle Phänomen R nineT einigermaßen erschwinglich.
Und unser Test zeigt: Die R nineT Pure verlangt ihrem Besitzer dafür keine schmerzlichen Zugeständnisse ab. Ausnahme sind die Rückspiegel. Sie stammen aus dem BMW-Regal und zeigen auch auf einer deutlich günstigeren F 700 GS, was hinter dem Bike passiert. Sie passen aber so gar nicht zur insgesamt gelungenen Retro-Optik der R nineT Pure mit dem klassischen stählernen Rundscheinwerfer oder vielen liebevoll gefertigten Aluteilen etwa an der Lenkerbrücke. Doch das Spiegel-Problem lässt sich leicht lösen. Solche Retro-Bikes schreien ohnehin förmlich danach, dass man an ihnen herumschraubt und sie individualisiert, auf Neudeutsch Customizing genannt. Da halten der BMW-Händler und der Zubehör-Handel reichlich Möglichkeiten bereit. Die runden Rückspiegel der Schwestermodelle R nineT Scrambler und Urban G/S würden auch der Pure weitaus besser stehen.
Einfach gut klingt der Auspuff der R nineT Pure. Schon im Serientrimm knattert und grummelt der Boxer damit nach Herzenslust. Dahinter stecken eine elektronisch gesteuerte Abgasklappe und der österreichische Klangtüftler Remus. Die Pure ist aber nicht nur ein Ohrenschmaus, sondern auch ein erstaunlicher Hingucker. Gerade ihr charakteristisches Grau, das eigentlich an eine Grundierung erinnert, passt hervorragend zum Gesamtbild des Roadsters. Der Ton heißt „Catalanograu“und ist das farbliche Unikat für die Pure.
Dass die BMW-Entwickler beim Projekt Pure an Fahrwerkskomponenten gespart haben, wird der Normalo-Biker auf öffentlichen Straßen kaum bemerken. Das teurere Vorbild R nineT hebt sich vor allem durch die edle, goldene Gabel von der Pure ab, die mit einer einfacheren schwarzen Gabel daherkommt. Man sitzt zwar nur fünf Millimeter höher als auf der besonders flachen R nineT, dennoch fühlt sich die Pure deutlich bequemer an. Das wird lediglich durch die schmale, flache und nicht gerade weiche Sitzbank etwas eingeschränkt.
Der drehmomentstarke 1,2-Liter-Boxer, der mit Luft und Öl gekühlt locker die gesetzlichen Abgas-Hürden nimmt, treibt die BMW R nineT Pure souverän an – und ebenso alle weiteren vier R nineTVersionen: die erste R nineT von 2013 sowie die R nineT Scrambler, Racer, Pure und Urban G/S. Fünf Mitglieder gehören derzeit zu BMWs erfolgreicher Heritage-Familie. Der Erfolg aller Varianten lässt weitere Motorräder dieser Art erwarten.