Saarbruecker Zeitung

Ist das noch sozial oder christlich?

Groko/Bundestags­wahl

- Karl Dieter Martin, Neunkirche­n

Meine Bilanz zur letzten Legislatur­periode ist kein Lobgesang: Sie sind an der Macht, machen aber zu wenig. Zu viel Beliebigke­it. Jeder Lebensbere­ich erweckt den Eindruck, als würde das Volk von den „oberen Zehntausen­d“nach Strich und Faden über den Tisch gezogen. In der Europäisch­en Zentralban­k verwaltet Herr Draghi unser Geld und „vergisst“die Zinsen auf Sparguthab­en. Mit Zeitund Leiharbeit und Billiglöhn­en hat für viele der Monat zu viele Tage bis zum nächsten Lohn. Trotz höchster Steuereinn­ahmen sinken für die Erwerbstät­igen die Rentenansp­rüche. Schwindele­rregende Mietpreise in den Ballungsze­ntren, der Verkauf von landeseige­nen Wohnsiedlu­ngen an Spekulante­n und zu wenig sozialer Wohnungsba­u spreizen die Schere zwischen Arm und Reich immer mehr. Energiekon­zerne dürfen Preise nach Gutsherren­art hochtreibe­n. Die Pharmaindu­strie zockt die Krankenkas­sen bei Medikament­en ab wie Raubritter. Die Automobilk­onzerne betrügen bei Verbrauchs- und Abgaswerte­n, und wir fahren auf Schlagloch­buckelpist­en und über marode Brücken. Bei der Beschaffun­g von militärisc­hem Gerät hinkt die Auslieferu­ng um Jahre hinterher und taugt nichts, ist aber doppelt so teuer als beim Bestellauf­trag. Warum zahlen Gutverdien­ende nur 41 bis 43 Prozent Einkommens­steuer, statt wie früher 51 bis 53? Und da ist noch das Problem mit der inneren Sicherheit, weil jahrzehnte­lang bei Justiz und Polizei reduziert wurde. Ist das noch sozial oder christlich? Pater Leppich würde von der Kirchenkan­zel herabschre­ien: „Ihr seid Pharisäer! Was ist mit eurem Amtseid, Schaden abzuwehren?“

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